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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Leben schwer. Wie immer. Kleinkriminelle, Amateurgangster, immer das gleiche Theater. Sind auf ihre Würde bedacht. Halten die Fassade aufrecht um des Scheins willen. Es brauchte nur ein bisschen Zeit, dann wurden sie weich, man musste nur abwarten, dann gab es immer etwas, was sie vermissten. Bier vielleicht. Oder Fernsehen. Den Hund. Die Stulle mit Wurst und Kräutermischung, die sie immer bei der Sportschau aßen. Oder die Wetten und die Pferde natürlich, es war phantastisch, mit anzusehen, wie die Ameisen in der Hose zwickten, wenn der Wettschein sorgfältig ausgefüllt war, aber nicht mehr abgegeben werden konnte.
    »Trugen Sie diese Hose, als Sie ihn umgebracht haben?«
    Erst jetzt war überhaupt eine Reaktion zu bemerken. Der Kehlkopf schluckte, für ein untrainiertes Auge kaum zu sehen. Angst. Gut, dann war der Prozess also in Gang.
    »Erzählen Sie«, fuhr sie fort. »Wie sind Sie reingekommen?«
    Er schob sich den Snus unter die Lippe. Die Dose war fast leer, dann würde er erst einmal eine Weile ohne sein. Sie vermissen, diese kleine Sicherheit unter der Lippe.
    »Erzählen Sie, Esaias, hinterher wird es Ihnen besser gehen.«
    Die Beichte. Alles auswischen, durchstreichen. Seinen Rucksack um einen Stein nach dem anderen leeren und dann weitergehen, so leicht, dass man meint, vom Boden abzuheben. Vielleicht ein Überbleibsel aus der Kindheit, die Erleichterung, die Knoten gelöst zu haben. Den Stacheldraht vom schmerzenden Herzen zu lösen. Ja, ich habe den Kuchen geklaut. Ich habe den kleinen Bruder geschlagen. Vielleicht reichte es noch weiter zurück, bis hin zu Luther, einem beichtwilligen, mittelalterlichen Katholiken, der sich tief in die schwedische Volksseele hineingebohrt hatte.
    »Zeig's ihm, Dagewitz.«
    Der Polizist trat mit einem Zeitungsausschnitt in einer Plastikhülle hervor und legte ihn vor Esaias. Er stammte aus dem Haparandabladet, ein Artikel über den Mord. »Mord an Zollbeamtem«. Die Überschrift war mit einem Kugelschreiber durchgestrichen und ein neuer Text hinzugefügt worden.
    »Was steht da, Esaias? Du hast es doch geschrieben, es ist deine Handschrift.«
    Der Mann befeuchtete seine Lippen, jetzt trat der Schweiß hervor.
    »Lies es laut«, drängte Therese ihn. »Willst du nicht? Soll ich es lesen? Oder Dagewitz, kannst du das lesen, bitte, sei so gut, lies uns vor, was da steht, statt  ›Mord an Zollbeamtem‹.«
    Dagewitz nickte und trat einen halben Schritt vor.
    »Hecht endlich aufgeschlitzt.«
    Esaias stand unwillkürlich auf, um wegzugehen.
    »Sie können sich wieder setzen, Esaias. Wir haben grünes Licht vom Staatsanwalt bekommen. Sie sind wegen Mordes an Martin Udde verhaftet.«
     
    Nach leckerem, sahnigem Rentierschabefleisch und einem Bier mit Schaumkrone streckte Therese sich auf ihrem Bett aus und spürte das Jagdfieber. Endlich ein Durchbruch! Nach mühsamer Polizeiarbeit und mit ein wenig Glück, wie sie sich eingestehen musste. Ein lokaler Gewalttäter. Logisch, das musste man zugeben. Jemand aus dem Ort, der seine Grenzen überschritten hatte. Nach einigen Verhören würde er gestehen, und dann konnte sie die Ermittlung anderen überlassen und nach Hause fahren. Das Hotelfenster war einen Spalt geöffnet, sie hörte von unten Stimmen. Zwei Männer, die über ein Mädchen redeten, das nicht gekommen war, sie waren betrunken und schrien unnötig laut in ihrem norrländischen Dialekt in ein Handy. Wie schön, bald von hier abreisen zu können. Sie gehörte hier nicht hin. Ein Kaff mitten im Wald, kein Wunder, dass Norrland die Bevölkerung weglief. Wald und Gewalt. Alkoholismus. Frauenhass.
    »Voi vittu«, war von unten zu vernehmen. »Verflucht, wenn sie die Schlüssel vergessen hat.«
    Obwohl es schon nach neun Uhr war, herrschte draußen immer noch voller Sonnenschein. Wie konnten die Leute hier schlafen? Vielleicht machte ja der Schlafmangel die Leute im Sommer verrückt, so verrückt, dass sie jemanden umbringen konnten. Sie schloss die Augen und überlegte, ob sie heute Abend oder erst morgen früh duschen sollte. Sie musste auch noch ihre E-Mails lesen.
    Gleichzeitig gab es da diesen Zweifel, wie einen kleinen Dorn im Fleisch. Es war zu einfach gewesen, das war der Grund. Sie versuchte ihn beiseite zu schieben. Warum konnte sie sich damit nicht zufrieden geben, schließlich hatten sie einen Gewalttäter, Indizien und Blut. Der Kerl hatte die Hose in der Garage versteckt, Lundin hatte nur eine halbe Minute gebraucht, um sie unter einer Plane zu finden.

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