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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Therese.
    Er selbst war nackt. Während er mit dem Wasser beschäftigt war, hatte sie ihn betrachtet, seine Rückenmuskeln, den weißen, fast zerbrechlich wirkenden Hintern, die schmalen Hüften und die zähe Kraft der Lenden. Schwarzes Haar wuchs an der Innenseite der Lenden, zum Geschlecht hin. Dort gab es einen Penis. Er sah merkwürdig braun aus, dunkler als die Haut daneben. Vielleicht lag das auch an den Schatten. Das ist nicht angebracht, dachte sie, es ist nicht angebracht, hier zu sitzen und an seinen Penis zu denken, wie er sich wohl zwischen den Fingerspitzen anfühlt. Er stand immer noch unter Verdacht. Nein, nicht unter Verdacht, aber er war immer noch Teil der Ermittlungen. Wie auch immer, es war nicht angebracht. Sie sollte das nicht tun.
    Esaias füllte die Saunakelle und schleuderte das Wasser durch die Luft. Ein durchsichtiger Körper, eine glänzende Kugel, die sich drehte, ihren Wasserkörper ausgoss und auf die Steine fallen ließ. Ein lautes Zischen. Die Steine wurden schwarz von der Feuchtigkeit und gleich wieder hell, während der Dampf wie eine Feuerqualle herausschoss. Mit stechenden Tentakeln schlug sie in dem engen Raum um sich. Die Ohrläppchen brannten, die Hitze prallte von den Wänden ab und schlug wie Reißzwecken in den Rücken. Dann klang sie ab. Kondensierte sich zu kleinen, kostbaren Schweißperlen.
    »Du wirst mich nie brechen können«, sagte er plötzlich.
    »Darum geht es nicht.«
    »Du kommst von außen. Du verstehst dich nicht auf die Leute hier oben.«
    Eine neue Kelle. Sie verfehlte teilweise ihr Ziel, es zischte auf dem Ofenblech.
    »Ich weiß, ich kann kein Finnisch, wenn es das ist, was du meinst.«
    »Nein, es ist mehr als das …«
    »Ja?«
    Noch eine Kelle. Ein wunderbarer Dampf, jetzt brannte er nicht mehr so stark, nachdem die Schweißproduktion eingesetzt hatte.
    »Du magst keine Bullen«, sagte sie bedächtig.
    Sie hatte überlegt, ob sie das Badelaken abnehmen sollte, jetzt zog sie es sich noch fester um den Körper.
    »Warum hast du mich eingeladen?«, fuhr sie fort.
    »Weil die Sauna heiß war.«
    »Um mich nackt zu sehen?«
    »Du glaubst wohl, es ist schwer, Sex in Pajala zu kriegen? Meinst du das?«
    »Nicht, wenn man auf Elche setzt.«
    Er hielt mitten in einer neuen Kelle inne. Wollte etwas erwidern, tat es dann aber doch nicht. Strich sich das Haar aus den Augen.
    »Warte«, sagte er und verschwand im Vorraum. Nach einer Weile kam er mit einem Tablett zurück, ein paar Schälchen und einem Schneidebrett mit einer fett glänzenden Lachsseite. Sie erkannte sie wieder.
    »Aus dem Fluss?«
    »Der Größte, den ich je gefangen habe«, nickte er. »An dem Tag, als ihr mich mitgenommen habt.«
    Er setzte das rasiermesserscharfe Fleischmesser an und schnitt geschickt in den Fisch. Auf der Messerschneide lag eine dünne, schräg geschnittene Scheibe, die er in seine gewölbte Handfläche legte. Er träufelte ein wenig Wasabi darauf, rollte einen Reisball hinein und legte das Kunstwerk vorsichtig auf Thereses Handtuch. Sie goss schwarze, japanische Sojasauce in ein Schälchen und rührte noch ein wenig der giftgrünen, bitteren Wasabipaste hinein. Dann tauchte sie den Leckerbissen in die Sojaschale und führte ihn zum Mund. Eine Geschmacksexplosion, aus Fisch, gesalzen und süß und scharf, ihre Lippen schlossen sich wie eine Meeresanemone um die Beute und genossen. Sushi und Sauna. Das muss ich Doris erzählen, dachte sie.
    »Warum bist du eigentlich hergekommen?«, wollte er wissen.
    »Meinst du heute?«
    »Ja, warum hast du mich aufgesucht?«
    Sie antwortete nicht sofort. Zögerte mit ihren Worten.
    »Das Finnische«, sagte sie schließlich. »Es lag wohl daran, dass du finnisch geredet hast.«
    »Hat dich das gestört?«
    »Du bist doch Schwede, oder? Voll und ganz schwedisch.«
    »Und Tornedaler.«
    »Aber du lebst doch nicht in Finnland. Und du bist nicht dort geboren.«
    »Nein.«
    »Dann bist du also Schwede. Du wohnst in Schweden, und hier sprechen wir Schwedisch.«
    »Mhm.«
    »Das kann man doch nicht einfach so vermischen, dagegen habe ich mich gewehrt. Was bist du denn in erster Linie, Tornedaler oder Schwede?«
    »Beides.«
    »Und wie viel Prozent von jedem?«
    »Hundert.«
    »Aber das wären dann ja zweihundert Prozent.«
    Er schnitt noch eine Scheibe Lachs ab. Der Saunaschweiß lief den Rücken hinunter.
    »Man möchte ein Ganzes werden«, sagte er leise. »Ich denke mir immer, dass wir die erste Generation von Tornedalern sind, die versucht, ein

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