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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Pause und schob die Maschine auf den Stützrädern ein paar Meter zurück. Begann von neuem. Keine Gedanken, keine Unruhe in der Seele. Nur Holz. Holz für den langen Winter.
    Und dann stand sie da. Eine Bewegung im Augenwinkel, Haare. Er zuckte zusammen. Riss sich den Hörschutz ab, blinzelte verständnislos. Sie hielt die Motorsäge fest. Wog sie in ihren Händen ab, bürstete ein paar Späne weg, fuhr mit der weichen Fingerspitze über das Zahnrad der Kette.
    »Bei der Arbeit?«
    Er stellte den Motor ab und spuckte aus. Ein säuerlicher Geschmack im Mund. Auch sie war verschwitzt. Der weiße Stoff war feucht über der Brust, ein Sport-BH war darunter zu erahnen, die Joggingschuhe in modernem Design. Als ich Kind war, sind wir noch in Segeltuchschuhen gelaufen, dachte er. Billige Stoffschuhe, in denen man Plattfüße kriegte.
    Es war etwas mit ihrem Haar. Sie fummelte mit einem Gummi, band sich einen blonden Pferdeschwanz, öffnete ihn gleich wieder und versuchte es noch einmal.
    »Ich bin hier vorbeigelaufen«, sagte sie.
    Ein Bullentrick. Er hätte am liebsten noch einmal ausgespuckt.
    »Wo ist die Erlaubnis?«
    »Ich bin nicht im Dienst.«
    Sie hob zwei Birkenhälften hoch. Führte sie zusammen. Sie passten haargenau ineinander.
    »Also einfach nur so vorbeigelaufen.«
    »Ja, genau.«
    Er fühlte sich mit einem Mal schmutzig. Dampfend vor Achselschweiß. Sie dagegen duftete bis zu ihm nach Deodorant. Sicher wusch sie nach jedem Training ihre Laufkleidung. Britney Spears.
    »Ich bin hier nur vorbeigelaufen«, wiederholte sie.
    Sie wollte ihn nicht festnehmen. Dann war wohl alles in Ordnung. Dann konnte er sie bitten, sich zum Teufel zu scheren. Sie stellte einen ihrer neumodischen Joggingschuhe auf den Holzhaufen und zog den Knoten ein wenig nach. Dann den anderen. Plötzlich hatte er Durst. Eine Plastikflasche mit Brunnenwasser stand im Gras. Er schraubte sie auf und ließ das Wasser gierig in den Schlund laufen. Dann reichte er sie ihr. Ein Reflex. Sie waren in Tornedal. Nicht einmal ein Feind sollte dürsten.
    Sie führte die Flasche an die Lippen, ohne sie abzuwischen. Einen kurzen Moment lang gab es da ein Zögern. Sein Speichel auf dem Flaschenhals, nur ein paar Zentimeter vor dem Gesicht. Sie konnte seinen Duft wahrnehmen. Das Gefühl seines Mundes.
    Dann trank sie. Kurze, kleine Schlucke, die ganze Zeit die Augen auf ihn gerichtet. Sie krümmte die Handfläche und ließ einige Tropfen hineinlaufen. Spritzte sie sich in den Nacken, direkt unter den Haaransatz. Ein wenig Kälte rollte ihr den Rücken hinunter.
    »Ich fliege morgen«, sagte sie.
    »Fliegen?«
    »Nach Hause. Nach Stockholm.«
    Sie schraubte den Verschluss wieder zu und stellte die Flasche ins Gras. Sie war jetzt fertig. Ihr Haar lag endlich so, wie es sollte.
    »Sind die Ermittlungen abgeschlossen?«
    »Ich habe abgeschlossen mit Pajala.«
    »Dann haben sie also gestanden? Dieses Pärchen aus Laukuluspa?«
    Sie gab keine Antwort. Schielte zur Einfahrt hinüber. Sie war schon unterwegs. Warum bin ich hier?, dachte sie. Das sollte sie nicht sein.
    »Die Sauna ist heiß«, sagte er, mit einem vollkommen ausdruckslosen Gesicht.
    Es blieb unnatürlich lange still.
    »Warst du es doch?«, fragte sie.
    »Ich dachte, du hast frei.«
    »Wenn du es warst, dann erwischen wir dich.«
    Er musste grinsen. Konnte nichts dagegen tun. Lief zum Brunnen und zog Saunawasser hoch.
     
    Sie saß auf der obersten Pritsche, eingehüllt in ein Badelaken, das er ihr geliehen hatte. Es war dunkel hier drinnen. Ein viel zu kleines Fenster ließ das Abendlicht herein, es strich wie mit einem Pinsel über die ungemalten Holzwände. Überall starrten schwarze Astaugen hervor, wo das Harz im Laufe Hunderter von Saunagängen erhitzt worden und zu Tränen erstarrt war. Der Holzofen brummte unter den schnellen Fingern der Flammen. Esaias öffnete die Luke und schob ein paar Birkenscheite nach, die Rinde fing sofort mit einem Knistern Feuer. Das Ofenrohr lief durch einen eingebauten Wassertank, Esaias öffnete einen Hahn und mischte kochend heißes Wasser in einer Plastikwanne mit brunnenkaltem, das er mit der Hand umrührte. Schließlich hatte es genau Körpertemperatur. In dem Moment verschwand das Gefühl, er spürte weder Hitze noch Kälte. Als er den Arm still hielt, fühlte er nur Leichtigkeit, als schwebe die Hand. Zwei Sekunden lang blieb er so stehen. Dann füllte er eine emaillierte Waschschüssel und setzte sich ganz oben unters Dach, auf dieselbe Pritsche wie

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