Der Mann, der starb wie ein Lachs
Haparanda.
Viele andere Leserbriefe handelten von der Unterdrückung des Finnischen. Ein Mann mittleren Alters berichtete, wie schlecht sein Vater behandelt worden war, als er Meänkieli gesprochen hatte. »Es gab nie ein Verbot, Finnisch zu sprechen«, konterte umgehend ein alter Volksschullehrer. Andere hakten nach und brachten Anklagen vor hinsichtlich Lügen und Phantasiebehauptungen. Und dann gab es einen Leserbrief im Haparandabladet vom 11. April 2000. Er stammte von einem älteren Mann, Johan Isaksson aus Tärendö, der erzählte, wie es war, als er als kleiner Junge Meänkieli sprach:
Wir fuhren mit den Skiern auf der Loipe zur Arbeitsstube.
Dabei vergaßen wir wie so oft die Zeit. Die Lehrerin ging draußen spazieren und hörte uns reden. Sie rief: »Die Jungen sollen reinkommen.« Ein Verhör ohnegleichen folgte, ihr Gehilfe musste zum Saunahügel gehen und Reisig holen. Wir mussten uns alle vier in einer Reihe aufstellen, Frans als Erster, ich war der Zweite. Die Lehrerin schlug besinnungslos vor Wut zu, sie schlug Frans von hinten und von vorn, und der Junge trat aus. Sein kleiner Penis schwoll zur Größe eines erwachsenen Mannes an. Das Reisig zerbrach, und dieses Mal kamen ich und die anderen beiden noch einmal davon. Frans hat das die ganze Schulzeit zu spüren bekommen. Vielleicht war das mit ein Grund, dass er mit 17 Jahren seinem Leben ein Ende setzte. Das wäre interessant zu wissen, aber niemand hat sich darum gekümmert. Möge er in Frieden ruhen.
Therese schob eine DVD hinein und loggte sich bei der Stockholmer Universität ein, Seminar für Finnisch. Sie klickte auf eine Philosophievorlesung von Doktor Birger Winsa, einem energischen Mann mittleren Alters mit auffallend blondem Haarschopf, schwarz eingefasster Brille und dem charakteristischen Tornedalakzent. Die Vorlesung wurde kurz zuvor für Studenten im ersten Semester in Meänkieli gehalten, eine Art Einführung. Winsa trug den obligatorischen akademischen grauen Blazer, die Kamera fing ihn schräg von vorn ein:
Meänkieli oder Tornedalfinnisch wird die Sprache genannt, die im schwedischen Tornedal gesprochen wird und im finnischen Tornedal als ein Dialekt existiert. Ein einheitliches Finnisch wurde auf beiden Seiten des Torneälven bis 1809 gesprochen, als der Sieger des Krieges, der russische Zar, eine Grenze zwischen Schweden und Finnland zog. Meänkieli hat uralte Spuren beispielsweise aus dem Karelischen, die Pronomen »ich« und »du« heißen auf Reichsfinnisch minä und sinä, auf Meänkieli dagegen mie und sie wie in Karelien. Außerdem enthält das Tornedalfinnisch eine große Anzahl alter H-Laute, die im Reichsfinnischen häufig verschwunden sind. Das Reichsfinnische lähdemme syömään, »wir gehen essen«, wird auf Meänkieli zu lähemä syöhmään. Beachten Sie den d-Laut, den das Meänkieli verloren hat, der aber im Reichsfinnisch konserviert wurde. Alte eigene Worte sind beispielsweise joukhainen, »Schwan«, der auf Finnisch joutsen heißt.
In der Folgezeit hat das Meänkieli viele Lehnwörter aus dem Schwedischen für moderne Bereiche wie Technik, Politik und Gesellschaftsleben übernommen. Die Entnahme aus dem Reichsfinnischen ins Meänkieli endete, nachdem Fahrrad und Elektrizität ins Tornedalen gekommen waren. Termini wie pyörü oder sähkö wurden um 1920 übernommen. So kann man heute in Tornedal sagen: Nyt lähemä arpeetsförmeetlinkhiin stämplaamhaan, ›Jetzt gehen wir zur Arbeitsvermittlung, um dort zu stempeln‹, oder Ota framile talterikki jos sie halvat äfterrättiä, ›Hol einen Teller, wenn du Nachtisch haben möchtest.‹ In der Fachsprache kann es heißen: Eelsystemissä oon kortslyytninki ja topplokin häätyy plaanata, ›Es gibt einen Kurzschluss im Stromnetz, und der Zylinderkopf muss justiert werden.‹ Beachten Sie das Sprachsystem, die Phoneme (Aussprache) und den Kasus (die schwedischen Prä- und Postpositionen), die aus dem Finnischen erhalten sind. Gleichzeitig ist die alte Terminologie im Begriff, zu verschwinden, während neue Worte aus dem Reichsfinnischen sich zunehmend vordrängen.
Es soll außerdem darauf hingewiesen werden, dass sich die Sprache in erster Linie auf dem Gebiet entwickelt, das besonders wichtig für die Kultur ist. Nur zu bekannt sind beispielsweise die unzähligen samischen Begriffe, um Rentiere zu beschreiben, und die zahllosen Worte für Schnee. In Meänkieli ist der Wortschatz bemerkenswert entwickelt, was Flüche und andere Schmähungen
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