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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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dem Moment, als er auf dem Hof parkte, konnte Esaias Vanhakoski eine Bewegung hinter der Küchengardine sehen. Das Haus lag mitten in dem langgestreckten Ort, der seinen Namen nach dem See bekommen hatte, Sattajärvi. Die Wasserfläche breitete sich kilometerlang in aller Ruhe aus. Nichts von der Unruhe des Flusses, der Stromschnelle, dieses rastlosen Brausens zum Meer hin. Satta kam von einem alten samischen Wort, das Sand bedeutete. Noch bevor die ersten Tornedaler aus den Wäldern im Osten gewandert gekommen waren, hatte der See bereits seinen Namen getragen. Es war keine leblose Wildnis, in die man kam, hier hatte es bereits Menschen gegeben. Andere Wanderer. Ein altes Brudervolk mit einer verwandten Sprache, ein Volk, das sich sämit nannte. Menschen.
    Esaias trat ins Haus, ohne anzuklopfen, ganz nach der Sitte des Landstrichs, streifte sich seine Schuhe auf der Fußmatte ab und ging weiter in die Küche. Am Klapptisch saß die alte Märta und klapperte mit den Stricknadeln über einem Handschuh. Es roch nach Alter. Alte Stoffe, mit Seife gewaschene Wolle in den Kommodenschubladen, die Holzbohlen, die von den Füßen vieler Generationen abgerieben worden waren, der leichte Sägespänegeruch aus der Dachisolierung, der Würfelzucker, das Bakelit in den Topfgriffen, die Reste der Fleischbrühe in der Speisekammer.
    Direkt hinter der Tür stand der Besucherstuhl, der Sitzplatz für die Gäste. Esaias setzte sich, ohne ein Wort zu sagen. Märta schaute aus dem Fenster, als träume sie. Ihr dickes, magnesiumgraues Haar war in einem laestadianischen Knoten gebunden. Die Zeit verging, ein Sonnenstrahl drängte sich durch die Wolken und vergoldete den Küchenboden, verschwand dann wieder. Sie kämpfte sich hoch und setzte Kaffee auf. Immer noch das gleiche Schweigen, die gleichen ruhigen Bewegungen. Er könnte seine Tasse austrinken und wieder gehen, ohne dass sie ein Wort gewechselt hätten, und es wäre nicht einmal unhöflich gewesen.
    Nachdem der Kaffee serviert war, machte sie eine Geste zum Küchentisch hin. Er verließ gehorsam den Besucherstuhl und nahm Platz. Sie selbst stellte sich ganz nach den alten Hausfrauenregeln an die Spüle. Hier war sie diejenige, die herrschte, die wusste, wie die Dinge getan werden mussten. Esaias schob sich das harte Zuckerstück zwischen die Lippen und schlürfte, spürte den Kaffee rinnen und die Kristalle schmelzen, spürte, wie der braune Geschmack die Farbe des Zuckers annahm, eine helle, goldene Sonnenfarbe. Sie wurde größer im Mund, als der Kaffee zu singen begann.
    Esaias stippte sich durch die halbe Kuchenplatte, kleine, knusprige Kunstwerke, die Märta selbst nach geerbten Rezepten von der Jahrhundertwende fabriziert hatte. Dann fragte er auf Finnisch. Ein kurzer Satz, direkt auf die Wachsdecke.
    Sie drehte zweideutig den Kopf, als habe sie eine unangenehme Erinnerung erwischt. Esaias räusperte sich und stellte die Tasse kopfüber auf den Teller. Dann ging er zur Bodentreppe, die sich eng und knarrend zum oberen Stockwerk hinaufwand.
    Dort war es sonderbar dunkel. Ein Dachfenster war mit einem Laken verdeckt, nur ganz unten drang ein wenig Licht durch einen Spalt. Esaias wartete, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten, und ging dann weiter zum Giebelraum. Die alte Spiegeltür war zugezogen.
    »Esaias on täälä«, rief er halblaut, um anschließend zweimal leicht zu klopfen.
    Es blieb vollkommen still. Er wartete und rief dann noch einmal. Drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Die Tür war verschlossen.
    »Saankos tulla sisäle? Darf ich reinkommen?«
    Immer noch war alles still. Doch dann war das trockene Klicken des Riegels zu hören. Schnell sprang er zur Seite für den Fall, dass die Tür aufgestoßen werden sollte. Sein Herz begann zu hämmern. Es pochte hoch im Hals, er bekam Atemnot.
    »Kuulekkos sie, se olen mie! Hörst du mich, ich bin es!«
    Nichts geschah. Esaias schnappte nach Luft. Drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Und dann zog er die Tür auf, Stück für Stück. Die ganze Zeit auf der Hut.
    Drinnen war es rabenschwarz. Und es gab einen sonderbaren Geruch. Vielleicht nach Blumen. Asche. Und Stearin, eine Wachskerze, die gerade erst ausgeblasen worden war.
    »Du musst sagen, wenn ich gehen soll«, sagte er auf Finnisch in das Dunkel hinein.
    Vorsichtig trat er ein. Ging geradeaus. Die Füße stießen gegen etwas, Dosen. Er trat auf etwas Weiches, das nachgab, kaputtging. Ein klebriges Gefühl unter dem Strumpf.
    »Ich wollte dich nur

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