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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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besuchen«, fuhr er fort. »Draußen ist Sommer.«
    Die Dunkelheit war eklig. Es gab ein Sausen in der Luft, wie von einem geschwungenen Schlagholz, kurz bevor es auf den Hinterkopf trifft.
    »Der Lachs beginnt zu beißen. Ich habe mit dem Ruderboot einen großen erwischt …«
    Jetzt war etwas zu hören. Ein Körper, hinter seinem Rücken. Da musste er die ganze Zeit gestanden haben. Esaias wartete. Schloss die Augen. Ein Gefühl, als fiele er, als taumele er nach hinten in einem Rohr. Nur ein leichter, warmer Luftstrom an seinem Hals. Jemand, der schnupperte. Ein daunensanftes Schnuppern am Körper. Bis hinunter zu den Strümpfen. Es schien Kalevi zu sein. Das war am Atem zu erkennen. Nur ein Glück, dass es nicht Pettersson war. Mit Kalevi konnte man wenigstens noch reden.
    »Die Polizei hat mich geschnappt«, fuhr Esaias auf Meänkieli fort. »Letztes Wochenende ist was passiert. Es ist einer umgebracht worden.«
    Ein Husten war zu hören. Es war ja wohl hoffentlich nicht Timo K?
    »Sie haben geglaubt, ich wäre es gewesen«, murmelte Esaias. »Die Polizei. Zuerst wollten sie mich nicht wieder gehen lassen.«
    Ein lauschendes Schweigen. Muskeln, die angespannt wurden. Er musste behutsam vorgehen.
    »Bist du … bist du draußen gewesen?«, fuhr Esaias fort und versuchte locker zu klingen, fast fröhlich.
    Ein leises Fauchen.
    »Wann warst du draußen?«
    Noch einmal. Wie von einer Schlange. Wenn das von Timo K kam, musste er auf der Hut sein.
    Alles war erneut still. Ich wage es, dachte Esaias. Ich sage es so, wie es ist.
    »Es ist ein Mann ermordet worden. In einem Haus in Pajala. Jemand ist in der Nacht dort eingedrungen. Und hat ihn erstochen. Der Kerl ist jetzt tot. Du weißt, wer es war. Der Hecht.«
    Sein Schädel explodierte. Die Dunkelheit zersplitterte, Farben, Krankheiten, grelle Betttücher und Gifte. Esaias fiel auf die Knie, fand das Gleichgewicht wieder und stellte sich, so ruhig er konnte, wieder an die gleiche Stelle. Tastete mit den Fingerspitzen die wachsende Beule ab. Trocken, kein Blut. Es war mit der Faust geschehen, mit den Knöcheln. Keine Waffe.
    Ein Röcheln war in der Dunkelheit zu hören, jemand jammerte.
    »Das macht nichts«, sagte Esaias und fühlte eine leichte Übelkeit. »Ich wollte nur wissen, ob du draußen warst. Ob du es vielleicht warst, der …?«
    Dieses Mal gelang es ihm, auszuweichen. Der Schlag strich am Ohrläppchen vorbei und rutschte über die Schulter. Ein schwerer Körper fiel von hinten gegen ihn, hatte das Gleichgewicht verloren. Esaias trat zur Seite und hörte den Fall, fühlte, wie die warme Schwere auf ihn zuglitt, hörte Holz knacken, einen dumpfen Aufschlag auf dem Boden. War das eine Schublade? Ein Deckel, der brach?
    Ein leises, fast lautloses Schluchzen. Jetzt weinte er. Jetzt klang es wie Kalevi, es war keine Gefahr mehr.
    »Ich dachte, dass du vielleicht dort gewesen bist«, sagte Esaias.
    »Sss …«
    »Dass du vielleicht weißt, wer es getan hat?«
    »Hhh … hssss …«
    »Ich möchte gern mit dir dorthin gehen. Schaffst du das? Ich möchte mit dir hingehen und es ansehen.«
    Das Schluchzen erstarb. Ein Körper schlurfte über den Boden, Planken kratzten aneinander.
    »Mnnn …«
    »Wir machen es nachts. Schaffst du es?«
    Ein lautes Schnaufen kam aus der Ecke. Jetzt klang es wie Pettersson. Leises, unverständliches Räuspern. Esaias reagierte blitzschnell. Er sah das Licht von dem Türspalt, ging rückwärts dorthin. Stolperte über irgendetwas, blieb mit seinem feuchten Strumpf hängen. Im letzten Moment gelang es ihm hinauszukommen, die Tür zu schließen und die Treppe hinunterzulaufen, wobei ihm die Knie zitterten. Immer noch zitternd beugte er sich hinunter und zog sich den klebrigen Strumpf vom Fuß. Hielt ihn unter die Nase und roch daran.
    Formalin. Balsamierungsflüssigkeit.
     

20
     
    Noch drei … zweihhh … und der letzte, Scheiße, noch der letzte Ruck, die Adern in den Schläfen schwollen an und wanden sich, ääähhh …
    Therese ließ den Metallhandgriff mit den verchromten Hebelarmen und Gewichten los und erhob sich von der schwarzen Plastikbank. Ein junger, solariengebräunter Typ in melonengrünem Trikot wartete schon. Er hatte Muskeln wie angeschwollene Anakondas und stellte die Gewichte auf das Doppelte ein. Ihre Augen begegneten sich im Spiegel, nur kurz, aus Versehen. Wenn man trainierte, zählte nur die eigene Welt. Man wollte gesehen werden, aber nicht sehen. Der Schmerz ging nach außen, war selbst nicht zu spüren. Wie

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