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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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herumhuschten. Er nahm den Duft eines schweren, fleischigen Grüns wahr. Und der gleiche traurige Zwiespalt. Bin ich hier zu Hause? Bin ich ein Teil von dem hier? Margarethas Kühle daheim, bevor sie ihn schließlich verließ, ihre resignierte Miene, musst du schon wieder verreisen, musst du wirklich? Das Sausen des Windes und das Piepsen eines Nachtvogels. Eine Feuerfliege schwärmte mit ihrem glimmenden Leuchten umher, blinkte ununterbrochen, ohne zur Ruhe kommen zu können.
     
    Dunkel. Er stapft los, ein zähes Gefühl um die Taille und die Beine, wie im Wasser. Die Haushülle umgibt ihn, alles vibriert. Auch die Wände bestehen aus Wasser, sie biegen sich, erzittern und halten kaum Stand. Ein wackelnder, durchscheinender Geleepudding. Wenn ich die Hand ausstrecke und einen Finger hineinstecke, dann gibt es ein Loch. Dann rinnt alles in die Welt hinaus. Eine Wasserrose, die sich in alle Richtungen öffnet und alles überspült und ertränkt.
    Jetzt steht ein Schatten hinter ihm. Das ist ein Gefühl, eine Art Echo am Rücken. Jemand, der schluckt. Der immer wieder schluckt, das ist ein sehr großer Hund. Oder ist das ein Mann in Fellen, ein heimlicher Jäger? Als sie zu einer Wand waten, entsteht eine Bewegung im Wasser. Er und der Fremde. Es ist eine Kellerwand. Und jetzt hebt er den Arm, der andere. Jetzt sticht er mit dem Finger hinein, er tut es, obwohl er es nicht tun sollte. Macht ein Loch. Es läuft. Spritzt. Rast. Und jetzt stürzt alles zusammen, jetzt zerbricht …
     
    Als Jan Evert mit einem Ruck aufwacht, ist es draußen immer noch dunkel. Er schaltet die Stehlampe ein und späht im Zimmer umher. Es gibt hier einen Geruch. Schwer und schal. Wie eine Schulerinnerung, alte Laboratorien mit Glasgefäßen auf verstaubten Regalen. Etwas ist auf ihn getropft. Jemand ist hier gewesen. Formalin. Widerstrebend zieht er sich an und stolpert die Kellertreppe hinunter. Dort gibt es eine Holzwand. Das stimmt mit dem Traum überein, eine Holzwand. Er tastet den Rand entlang. Man kann sie öffnen.
     
    Eino hielt den Fund vorsichtig an einer Ecke fest, während er sich Handschuhe anzog. Sonny spürte seine Erregung.
    »Martin Uddes?«
    »Im Keller«, bestätigte Eino. »Der Neffe ist heute Morgen damit angekommen, er hat es gefunden, als er dabei war, das Haus auszuräumen. Hinter einer Holzverkleidung.«
    »Und da hat es gelegen … seit dem Sommer?«
    »Aber sicher.«
    Sonny gab keinen Kommentar ab, aber beide dachten das Gleiche. Die Spurensuche hatte es übersehen, obwohl sie doch das ganze Haus durchkämmt hatte.
    »Hast du schon reinschauen können?«
    »Ja, aber nur kurz.«
    »Und?«
    Eino legte das Fotoalbum auf den Tisch neben die alten Schreibhefte.
    »Warum hat er das versteckt?«, ließ Sonny nicht locker.
    Eino betrachtete schweigend seinen Kollegen. Dann machte er ein Zeichen oder eher eine Handbewegung, sehr ungewöhnlich für einen Polizeibeamten.
    »Verdammte Scheiße.«
    Sonny griff widerstrebend zum Telefonhörer und wählte eine Stockholmer Nummer.
     

27
     
    Die Zeit ist wie ein Trichter, dachte Esaias. Nach unten wurde sie immer schmaler, die Wände schlossen sich immer dichter zusammen, und zum Schluss gab es nur noch einen konzentrierten Lichtfleck, der Kindheit genannt wurde.
    Aber nein, so ganz stimmte das doch nicht. Es gab ja mehrere Punkte. Seine erste Erinnerung ähnelte eher zwei isolierten Inseln, einer Gewehrsalve, die nach hinten gerichtet in die Zeit abgefeuert wurde. Heiße, kleine Körner, die glänzten und ihren Platz suchten, bis sie wie Fixsterne in der kompakten Dunkelheit festgenagelt waren. Ein sich dahinziehendes Sternbild, war das vielleicht die Kindheit?
    Die ersten Erinnerungen. Die äußersten Körner in der Kugelsalve. Esaias ist vielleicht zwei Jahre alt und wird von seinem Vater an einer steilen Treppe hochgehoben. Dort oben sitzt ein Lichtschalter an der Wand. Esaias drückt seine Babyfinger auf ihn, schafft es aber nicht, fest genug zu drücken. Das Bild des Lichtschalters, das weiße Bakelit, die Fingerspitzen, die immer wieder ihr Ziel verfehlen.
    Es ist sehr früh, Mama und Papa schlafen noch. Esaias stolpert ohne Windel in die Küche, die Morgensonne strahlt herein. Am Schaukelstuhl hockt er sich auf den grauweißen, gewebten Plastikläufer. Er guckt auf seinen Schwanz hinunter, und dann tut er es. Pisst direkt auf den Plastikläufer. Es verschwindet. Hinterher ist nichts mehr zu sehen.
    Mama rudert, und Papa unterhält sich mit ihr. Sie sitzen zusammen im

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