Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
herum. Fand zum Schluss Thereses Gesicht und streichelte es.
    »Schönes Kind. Schönes, schönes …«
    Eine braune Hand mit Leberflecken, die vorsichtig eine blonde Haarlocke strich. Weiche Fingerspitzen auf der Fontanelle eines Babys.
    »Hallo, Oma«, sagte Therese, wobei ihre Stimme in Schluchzen brach.
    »He-le-na …«
    »Nein, nicht Helena. Ich bin ihr Kind, Therese.«
    Die Alte hustete, es hatte sich Schleim gesammelt. Sie versuchte etwas zu sagen. Speichel sickerte auf das Kissen. Therese ging zum Waschbecken und holte ein paar Papierhandtücher. Esaias beugte sich näher und lauschte. Erstickte Laute, Gemurmel. Er antwortete etwas, und sie stieß bestimmte Laute aus. Fast wie ein Gespräch.
    »Sie ist wieder weit weg«, sagte Therese.
    Vorsichtig trocknete sie den Speichel ab, während Esaias sitzen blieb. Er versuchte, der Alten wieder etwas ins Ohr zu murmeln und bekam leise, nicht zu deutende Litaneien zurück. Das ging eine Weile so. Sie wirkte aufgeregt, und er drückte beruhigend ihre Hand.
    »Ich habe sie nie kennen lernen können«, sagte Therese mit Trauer in der Stimme.
    »Wie meinst du das?«
    »Mama wurde adoptiert, als sie klein war. Sie hat ihre Mutter ein Leben lang dafür gehasst, dass sie sie im Stich gelassen hat.«
    »Dann hattet ihr gar keinen Kontakt, als du aufgewachsen bist?«
    »Es hieß immer, dass meine Oma tot wäre. Mama wollte nicht, dass ich sie kennen lerne.«
    Ein Kalender hing an der Wand. Esaias blätterte hin und her, spürte die Zeit zwischen den Fingern, den Lauf der Tage. Die Bilder waren aus Florida, Disneyworld. Lebhafte Delfine, die vor einem Publikum mit Kappen hochsprangen.
    »So ist es nun einmal. Wir alle werden alt«, murmelte er und spürte einen leichten Schwindel.
     

36
     
    Der Kiesweg schlängelte sich in wogenden Bögen durch den Wald. Er war nicht auf heutige Art abgesteckt und mit einem Lineal durch die Landschaft gezogen, er folgte den Konturen der Landschaft. Gab es ein Hindernis, ringelte er sich vorsichtig darum herum. Kam ein Kieshügel, kletterte er zur Kuppe hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter.
    Es war ein klarer, frischer Septembertag. Der Himmel war flaggenblau, direkt aus der Tube gemalt, und das Laub der Ebereschen hing wie Goldtaler an den Zweigen. Eino Svedberg fühlte sich geradezu gezwungen, den Dienstwagen auf einem trockenen Platz abzustellen und mit seinen Halbschuhen in den Graben zu klettern. Unglaublich, die Preiselbeeren. Er zog einige Beeren mit dem Daumen ab, spürte, wie die kalten Kugeln auf die Handfläche rollten. Perfekt reif, rot und wie lackiert glänzend. Dann warf er den Kopf nach hinten und kippte die Süße in sich hinein. Kindheit. Preiselbeerkompott mit Sahne. Der Überfluss des Herbstes, so dass sich auch ein Armer richtig reich fühlen konnte.
    Eino setzte sich wieder ins Auto, jetzt mit dem Duft des Waldes in den Kleidern. Ein paar schwere Waldvögel flogen mit viel Lärm auf, in den Wald hinein. Auerhühner. Sie fraßen vor dem Winter Steine, füllten den Kropf, um die schwer verdaulichen Kiefernnadeln besser zermalmen zu können. An so einem Tag sollte man draußen sein, dachte er. Mit dem Hund spazieren gehen. Heimlich jagen mit einer Flinte. Auerhahngulasch mit Vogelbeerengelee und dann dieser gebratene kleine Muskelmagen. Und Beeren. Dazu kein saurer Rotwein, sondern ein schäumendes kaltes Bier. Und ein kleiner Verdauungsschnaps anschließend, während der Rucksack zum Trocknen am Haken hing und die Saunahitze noch im Körper war.
    Aus der Erinnerung tauchten Vaters Erzählungen auf, wie er als Junge einmal eine Auerhahnsilhouette ausgesägt hatte, sie schwarz anmalte und an die Auerhahnkiefer hinten bei Rovas nagelte. Und dann erzählten er und sein Bruder dem Urgroßvater von einem Vogel, der draußen sitzen würde, woraufhin dieser gleich Feuer und Flamme war und mit seinem Gewehr hinausstürzte. Der Alte stellte sich ins Dickicht und feuerte los. Aber wie oft er auch schoss, der Auerhahn blieb stehen. Und wie er auch die Kimme einstellte, er bekam diesen verflixten Vogel nicht runter. Schließlich traf er ihn am Hals, der abknickte. Der Auerhahnkopf kippte ins Moos, während der Vogelkörper weiter dort baumelte, und erst da hörte er die Lachsalven der Jungen.
    Eino parkte auf dem Hof. Hinter dem Lagerhaus klapperte und jaulte es. Eine Sägeklinge schnurrte und Sägespäne spritzten. Am Band stand ein kleiner Kerl mit einer Kappe mit Hörschutz, auf der NJA stand. Eino blieb eine Weile

Weitere Kostenlose Bücher