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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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stehen und schaute zu. Die Klinge wurde in den Stamm gedrückt. Die Tourenzahl sank, während sich der Stahl durchfraß, und nahm anschließend wieder an Fahrt zu. Eine weiße, frische Planke fiel mit einem Knall zur Seite. Über der Szene lag eine konzentrierte Ruhe. Körperarbeit. Starke Schultern, gewölbte Muskeln. Das langsame Tempo, die Fähigkeit, Stunde um Stunde zu arbeiten. Die fertig gesägten Bretter, die sorgfältig gestapelt worden waren.
    Jetzt spürte der Mann im Rücken den Blick. Er drehte sich um und blies aus dem Mundwinkel Sägespäne weg. Dann stellte er den Stromschalter aus, so dass das Heulen versiegte und schließlich ganz verstummte.
    »Jaha«, sagte Eino als Gruß.
    »Nun«, erwiderte der Alte.
    Sie gingen hinein, um Kaffee zu kochen.
    Auf dem Küchentisch lagen unzählige Metallteile, auf alten Tageszeitungen ausgebreitet. Es dauerte eine Weile, bis Eino erkannte, dass es sich um eine Säulenbohrmaschine handelte. Der Ständer war an die Wand gelehnt, während das ganze Innenleben bis in die kleinste Schraube auseinandergenommen worden war. Als Eino näher hinsah, stellte er fest, dass alles nummeriert war und in genauer Ordnung lag.
    »Aha, Abel, du schummelst mit deiner Rente«, sagte er auf Meänkieli.
    Auf einem Regal neben dem Herd standen ein Mikrowellenherd und eine Motorsäge, bereit zum Abholen.
    »Ist das eine Steuerfahndung?«
    Eino zuckte mit den Schultern und ging ins Wohnzimmer.
    »Verstehst du auch was von Computern?«
    »Welche Marke?«
    »Es ist das Modem, das spinnt, es schmeißt mich die ganze Zeit raus, wenn ich surfe.«
    Auf dem Bücherregal standen gut zwanzig Vögel. Ausgestopft und auf Holzzweige oder ausgesägte Schilde montiert. Drosseln, Sperlinge, Schwalben, ein Fischadler mit einem lebensecht glitzernden Weißfisch in den Klauen.
    »Wie zum Teufel hast du es geschafft, den Weißfisch auszustopfen?«
    »Ganz einfach. Es ist ein Abguss. Das Schwierige daran war, die Silberfarbe hinzukriegen.«
    Abel klopfte leicht mit dem Fingernagel auf den Fischbauch, so dass das Steingeräusch zu hören war. Gips. Jede einzelne Schuppe war mit dem feinsten Pinsel gezeichnet.
    »Du hättest studieren sollen«, sagte Eino.
    »Ging nicht.«
    »Die Eltern?«
    »Die Armut. Wir waren so viele Geschwister, da war kein Geld übrig.«
    »Verstehe.«
    »Alles, was ich kann, habe ich mir selbst beigebracht.«
    Es lag Bitterkeit in der Stimme. Er war so alt, dass er eher zurück als nach vorn schaute. Auf alles, was verloren gegangen war.
    Gemeinsam ließen sie sich am Couchtisch nieder. Der war aus einem gewaltigen Stamm ausgesägt, geschliffen und lackiert. Man sah deutlich die Jahresringe, helle und dunkle, immer abwechselnd. Abel zeigte auf einen Ring nahe der Mitte.
    »Da ist der Vater meines Großvaters geboren. Im Jahr 1824, ich hab ausgerechnet, dass es hier ist.«
    »Die Zeit vergeht«, sagte Eino.
    »Ja, es ist gar nicht so lange her. Ich sitze oft hier und gucke mir die Ringe an. Ein Menschenleben ist nur so lang.«
    Abel maß es mit den Handflächen ab. Dann schlug er sie mit einem lauten Knall zusammen.
    Er ist nicht verheiratet, dachte Eino. Keine Kinder, keiner, der alles übernimmt.
    Im nächsten Moment war ein leises Summen zu hören. Der Alte öffnete eine Luke im Sockel des Tisches und holte zwei Tassen frisch gebrühten Kaffees heraus.
    »Wahnsinn!«, rief Eino aus.
    »He he«, grinste Abel.
    Auch Zucker und Milch holte er aus dem Tischsockel. Und aufgetaute, lauwarme Weizenbrötchen.
    »Wie zum Teufel hast du das gemacht?«
    »He he. He he.«
    Bis zur zweiten Tasse saßen sie schweigend beieinander. Jede Zeit muss in ihrem eigenen Rhythmus vergehen, dachte Eino. Manchmal trinkt man Kaffee. Manchmal trinkt man keinen Kaffee.
    »Martin Udde war dein Lehrer«, sagte er schließlich und schielte zu dem Alten hinüber.
    »Wieso?«
    Daumen und Zeigefinger hielten den Tassenhenkel fest im Griff.
    »Du warst wohl nicht älter als acht, neun Jahre«, fuhr Eino fort.
    »Acht.«
    »Erzähl.«
    Abel holte eine Blechdose mit einem finnischen Zigarillo heraus. Er brach ihn in der Mitte durch und zündete die eine Hälfte an. Blies den dichten, würzigen Rauch mit gespitzten Lippen aus. Als versuchte er, eine Kerze auszupusten.
    »Was willst du über Udde wissen?«
    »Du hattest ihn also als Lehrer?«, fragte Eino nach.
    »Ja, bis er aufgehört hat, dieser Mistkerl. Dann ist er ja Zöllner geworden.«
    »Und du selbst?«
    »Ich bin Forstarbeiter geworden.«
    »Du weißt, worauf ich

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