Der Mann, der starb wie ein Lachs
hinaus will, Abel. Du bist nicht dumm.«
»Nimmst du das auf?«
»Nein, das nehme ich nicht auf Band.«
»Lass sehen.«
Eino hob die Arme. Abel klemmte die Kippe zwischen die Lippen und tastete Einos Kleidung ab. Autoschlüssel. Brieftasche. Aber kein verstecktes Mikrofon.
»Ich habe noch nie jemandem davon erzählt. Seit mehr als fünfzig Jahren nicht.«
»Mm.«
»Ich habe es nicht einmal meinem Vater erzählt.«
Er rauchte den Zigarillostummel bis zu den Lippen. Fast schien die Glut auf dem Weg in den Mund zu sein.
»Ich bin zum Rektor gegangen. Ganz von allein, begreifst du, was für ein Mut dafür nötig war? Ein kleiner, armer Dorfjunge, der kaum ein Wort Schwedisch konnte. Zuerst versuchten die Vorzimmertanten mich rauszuschmeißen. Aber ich weigerte mich, ich wollte nicht gehen, bin bestimmt eine Stunde lang dort stehen geblieben.«
»Und dann?«
»Dann durfte ich zum Rektor rein. Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht mehr zur Schule gehen wolle. Der Rektor wurde wütend und schrie, dass man das nicht dürfe. Aber da hab ich ihm erzählt, was passiert ist. Dass mein Lehrer seinen Pimmel rausgeholt hat … es war beim Nachsitzen, erst hat er mich mit runtergezogener Hose geschlagen, und dann hat er das gemacht.«
»Verdammte Scheiße«, sagte Eino.
»Er hat es gemacht.«
»Scheiße.«
»Danach musste Martin Udde aufhören. Sie haben so getan, als wäre er freiwillig gegangen. Der Rektor wollte nicht, dass ich irgendetwas sage. Nicht ein Wort, nicht einmal zu Hause. Udde saß ja auch in der Jugendbehörde, und sie hatten wohl Angst, dass es zu einem Skandal kommen würde in der Gemeinde.«
Eine Weile blieb es still. Abel beugte sich vor.
»Wie hast du es rausgekriegt? Gibt es darüber ein Protokoll?«
Eino schüttelte den Kopf.
»Nein, kein Protokoll. Aber Udde hatte ein Versteck im Keller. Dort hatte er ein Tagebuch versteckt.«
Abel ließ die Information einige Sekunden sacken.
»Und darin hat er es zugegeben?«
»Darin hat er es zugegeben.«
»Ich hoffe, er ist gequält worden, bevor er starb.«
»Das ist er offenbar.«
»Weißt du, ich denke immer, dass es an diesem Satan liegt, dass ich Junggeselle geblieben bin.«
»Wie meinst du das?«
»Nun ja, ich weiß nicht so recht. Aber es ist bestimmt seine Schuld. Woran sollte es sonst liegen?«
»Mhm …«
»Kinder sind empfindlich. Das meine ich damit.«
»Ja.«
»Ich hab lauthals gelacht, als ich gehört hab, dass der Alte tot ist. Das kann ich ehrlich sagen. Keine Altenpflege oder sanftes Einschlafen, sondern eine richtig blutige Sache. Haben sie ihm auch die Knochen gebrochen?«
»Das darf ich nicht sagen.«
»Ich werde zur Gerichtsverhandlung gehen, und dann wird es öffentlich. Ich werde mir auch die Unterlagen bestellen und jedes Wort darüber lesen, wie er geschlachtet wurde.«
»Vielleicht weißt du es ja schon.«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht warst du derjenige, der es getan hat.«
»He he«, lachte Abel wieder, »ich wusste, dass das kommen würde. Aber ich war die ganze Woche in Kopenhagen.«
»Gibt es Zeugen?«
»Ja, sowohl tagsüber als auch nachts. Ich war bei Käi Präit, ab und zu muss man mal aus Pajala raus.«
»Käi was?«
»Ich habe noch das Flugticket. Und die Hotelrechnung.«
Eino konnte nur nicken, nachdem Abel die Papiere hervorgesucht hatte. Es gab keinen Zweifel.
»Glaubst du, dass Martin Udde noch andere Kinder angefasst hat?«
Abel legte den Kopf schräg. Lächelte.
»Kinder werden groß. Das vergessen solche Schweine. Kleine, schutzlose Kinder wachsen heran, und eines schönen Tages kommen sie vielleicht vorbei und bedanken sich für die nette Zeit.«
»Gib mir einen Namen.«
»Aber Eino, Eino … derjenige, der das Schwein geschlachtet hat, der sollte eine Medaille kriegen.«
Abel stand gemächlich auf, zog sich die Arbeitshandschuhe an und ging wieder hinaus. Bald stieg das Heulen der elektrischen Säge wieder an.
Käi Präit, notierte Eino auf seinem Block mit einem Fragezeichen dahinter. Merkwürdiger Name, war er dänisch? Erst als er im Auto saß, fiel es ihm ein. Gay Parade.
37
Therese zögerte unschlüssig vor Åndermans Tür, niemand öffnete, obwohl sie angeklopft hatte.
»Der ist runter ins Lager gegangen«, rief Christof, einer der Polizeianwärter.
»Ins Lager?«
»Ins Archiv oder so«, nickte er und ging weiter den Flur hinunter. Im Arm hielt er einen ausgestopften Alligator. Der Kopf war abgebrochen und baumelte an einigen Drähten.
»Was hast du denn
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