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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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ein, als Esaias hineingetrottet kam. Drinnen wurde die Treppenhausbeleuchtung von einem Bewegungsmelder eingeschaltet. Es war ein leichter Duft zu vernehmen, doch er kam ums Verrecken nicht drauf, wonach. Hatte nur das Gefühl von Rokoko, stoffraschelnden Salons. Das Treppengeländer war aus poliertem Mahagoni mit geschnitzten Enden, die Wand entlang zog sich ein vom Jugendstil inspirierter Fries mit üppigen Seerosen, der sich bis zum 3. Stock hinaufschlängelte. Die Wohnungstüren waren braun wie von der Jahrhundertwende und wirkten mehrere Nummern zu groß, als stammten sie von irgendeinem Gutshof, das Material sah aus wie gediegene Eiche. Alle zeigten mindestens drei moderne Sicherheitsschlösser, alle synchron montiert. Esaias entdeckte die Verbindungsdose für eine weitere Überwachungskamera diskret in einen Dachwinkel eingefügt.
    »Wohnungsbaugenossenschaft Medea«, flüsterte Therese. »Eigentlich darfst du gar nicht hier sein.«
    »Nein?«
    »Hier wohnen nur Frauen. In allen sechs Aufgängen. Die ganze Genossenschaft wird von Frauen geleitet, die Verwaltung, die Unterhaltung, ja, alles. Es gibt nicht einen einzigen Mann in dem ganzen Komplex.«
    Esaias dachte darüber schweigend nach. Schielte zu ihr hinüber, etwas verwirrt.
    »Außer mir also«, bemerkte er.
    »Lilly im vierten Stock hat sich einen Kater angeschafft. Das gab Ärger.«
    »Einen Kater?«
    »Aber nachdem sie ihn kastriert hatte, wurde das akzeptiert. Es wäre übrigens gut, wenn du etwas leiser sprichst, die Damen könnten sonst nervös werden.«
    Lavendel, endlich fiel es ihm ein. Die Treppe war mit Lavendel gescheuert worden.
    Therese klingelte an einer Tür und stellte sich gut sichtbar vor den Türspion. Es rasselte, als einige Riegel geöffnet wurden. Die Tür schob sich knarrend auf, schwer wie ein Kirchenportal, bis die Panzerkette sie aufhielt. Wie automatisch strich sein Finger über das Holz. Es war entlarvend kalt. Keine Eiche. Geschickt angemalter Stahl, eine Sicherheitstür der Schutzklasse 3.
    Thereses Mutter stand in dem Spalt und spähte hinaus. Sie trug eine lange azurblaue Tunika, um den Kopf ein Tuch in hellerem Ton, das im Nacken gebunden war. Hastig strich sie sich über den Schenkel, wo sie sich gerade eine Spritze gesetzt hatte. Esaias erinnerte sie an eine Schauspielerin aus den sechziger Jahren, dem Ende der psychodelischen Ära. Es dauerte eine Weile, bis ihm einfiel, an wen. Anita Lindman.
    »Was für eine Überraschung, Therese.«
    Die Stimme war auffallend tonlos, wie die einer Lehrerin, die sich heiser geschrien hatte. Sie schaute nur ihre Tochter an, nicht die Gestalt schräg hinter ihr, diese nicht willkommene Silhouette. In der Hand hielt sie einen breiten, beigen Gummiriemen. Ließ ihn wie einen Hautlappen zittern. Dann löste sie die Kette.
    »Das hier ist Esaias«, stellte Therese ihn vor.
    Er streckte die Hand aus, während die Mutter einen Schritt zurücktrat und sie bat, doch einzutreten. Sie nickte, um zu verbergen, was alle gesehen hatten, dass sie ihm nicht die Hand geben wollte.
    Ihr Gesicht war sonderbar glatt, fast ohne Falten, obwohl sie sich den Sechzig nähern musste. Aber sie sah auch nicht geliftet aus. Die Gesichtsmuskeln waren ruhig, glasartig, sie verrieten nichts. Sie bewegte sie so gut wie nicht, ihr Gesicht wirkte unbenutzt. Das hatte er bisher erst einmal gesehen, bei einer Frau, die von Geburt an blind war. Die gleichen glatten Wangen, sie hatte nie gelernt, ihre Gefühle durch Mimik auszudrücken.
    Schwiegermutter, dachte er.
    »Zieh dir nicht die Schuhe aus«, flüsterte Therese.
    Er hockte sich hin und zog sich die Schuhe aus. Den ganzen Abend mit Schweißfüßen herumzulaufen, um feiner zu wirken, als man war, verdammte Scheiße, nein.
    »Mie olen Pajalan poikia«, sagte er unnötig laut, »hirvenpyytäjä ja oikea mies!«
    Die Mutter blinzelte. Aha, jetzt hatte er die vornehme Mama also mit ein wenig Dorffinnisch beeindruckt. Therese sah aus, als hätte er gefurzt. Finde fünf Fehler! Oh, verdammt, was tat ihm der Kopf weh.
    Die Mutter hatte auf dem Glastisch im Wohnzimmer gedeckt. Knochenweißes Porzellan, eine Flasche Chablis, ein Brotkorb mit Sesambrötchen von der Bäckerei um die Ecke. Aber es war nur für zwei gedeckt. Die Mutter verschwand in der kleinen Küche und kam mit einer dampfenden Auflaufform zurück.
    »Nun setzt euch doch.«
    »Willst du denn nichts essen, Mama?«
    »Ich habe schon auf der Arbeit gegessen. Nun nehmt euch, das ist Gemüsepai, ich habe ihn extra

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