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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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drückte, verschwand er, versank bis zu den Gelenken im Holz, während morsche Splitter herausfielen. Und alles war bereits zu spät, Streben und Stützen stürzten zusammen und massakrierten die Würdenträger.
    Die Kleinen konnten gewinnen. Mäuler, winziger als Poren, konnten ein Königreich zermalmen. Es gab Kriege, die wurden ohne Waffen geführt, und dennoch waren es Kriege. Kieferteile und Zungen konnten mehr schaden als Kanonenkugeln. Der Fürst, der diese Lektion nicht gelernt hatte, stand auf wackligem Boden.
    Und jetzt ging es um Skandinavien. Den stolzen Norden. Überall gab es Kräfte, die zerstören wollten. Auseinanderreißen. Dänemark war vor nur gut zwei Jahrzehnten von Deutschland Schleswig-Holsteins beraubt worden, im verfluchten Jahr 1864, obwohl das nördliche Schleswig dänischsprachig und Teil unseres nordischen Erbes war. Prinz Oscar hatte während dieses Konflikts den Befehl über ein schwedisch-norwegisches Geschwader geführt, bereit, zur Unterstützung der Dänen einzugreifen, sobald der Befehl erteilt wurde. Meereswind in blinzelnden Augen, leere Horizonte, an denen sich die Wellen türmten. Mantelmöwen mit langen gelben Schnäbeln, auf deren Unterseite ein roter Fleck leuchtete. Wie Blut. Konnte Gott nicht eine deutsche Flottille schicken, flatternde Kriegsfahnen, glänzendes Messing, windgefüllte Segel, die Mannschaft bereit zum aufopfernden Kampf um Leben und Tod. Hin und her wogende Fronten, plötzliche Ausweichmanöver, und dann ein kühner Dolchstoß in die Flanke, der alles zerreißt und das Meer kochend von deutschen Matrosen zurücklässt. Die Mannschaft, die in Hurrarufe für ihren Kommandanten Prinz Oscar ausbricht, den kommenden König von Schweden und Norwegen. Wahrlich ein würdiger Erbfolger!
    Doch aus all dem wurde nichts. Ludvig Manderström hatte eingegriffen, der Minister für äußere Belange, und war mit dem Kleinmut eines Jammerlappens dem schwedischen Kriegsbeistand zuvorgekommen. Das Geschwader wurde aufgelöst, Dänemark erlitt folgerichtig eine vernichtende Niederlage ohne die Unterstützung seiner Nachbarn, und der Norden verlor einen weiteren Teil der Erde seines Vaterlandes.
    Gleichzeitig ging eine innere Zersplitterung vor sich. Schweden, das bereits Finnland verloren hatte, drohte jetzt auch noch Norwegen zu verlieren. Der König sah vor seinem inneren Auge ein Bild, auf dem einem hochgewachsenen, kraftvollen Erbbauern zuerst der eine Arm abgehackt wurde und anschließend der andere. Zurück blieb nur ein verstümmelter Torso. Wie eine vergessene Statue aus zerbrochenem römischem Marmor, nur eine übrig gebliebene Schönheit, die Erinnerung an etwas, das für alle Zeiten verloren gegangen war. In Norwegen war er gezwungen gewesen, eine Regierung der Linken zu ernennen, und jetzt konnte er zusehen, wie der Parlamentarismus auf Kosten der Macht des Königs an Einfluss gewann. Im Parlament wurde ein eigener norwegischer Außenminister gefordert oder zumindest ein norwegisches Konsulatswesen. Die Zeichen waren deutlich, die Mäuler bissen und fraßen. Sie würden die Union auflösen. Und im Osten drohten Russland und die finnischen Völker.
    Der König hob den Silberdeckel von der Schale, die die Kammerjungfer hereingebracht hatte. Darinnen lag eine gespaltene weiche Frucht, schön geschnitten und wieder zusammengesetzt in der Schale, in länglicher Form mit weicher Rundung und den Spuren eines weggeschnittenen, sonderbar zusammengedrückten Kerns.
    So etwas hatte er noch nie gesehen.
    Vorsichtig beugte er sich vor und schnupperte. Seine alte Nase war empfindlich, schwammig von innen mit gewundenen Kanälen. Birne. Pfirsich. Und ein wenig Zitrone, aber nur eine Spur. Mit der Silbergabel spießte er einen Spalt auf und führte ihn an die Lippen. Ein Tropfen fiel auf das Schreibpapier, er beeilte sich, zog die Gabel schneller heran. Ließ schließlich das Fruchtfleisch in den Mund gleiten, den Gaumen berühren und sich an die glatten Schleimhäute schmiegen. In der Feuchtigkeit kugeln, die Poren der königlichen Zunge berühren. Die Mundhöhle mit neuen Farben ausmalen. Erst jetzt benutzte er die Zähne. Emaille, das spaltete und zerdrückte. Der Lichtschimmer.
    Er wischte den Safttropfen mit einer spitzenumhäkelten Serviette vom Schreibpapier und schob noch einmal die Rosshaarkissen zurecht. Ergriff die Feder:
     
    Es gilt nämlich auf alle erdenklichen Arten der von den Anhängern der finnischen Sprache auf der anderen Seite der Grenze viel zu lange
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