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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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die aufgeregt erzählte.
    »Angela, geht es dir gut?«
    »Ich weiß nicht. Mir ist so kalt!«
    Röhrdanz drehte das Gebläse bis zum Anschlag auf, sodass die Scheiben beschlugen und er kaum noch etwas sehen konnte.
    »Ich habe noch ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk für dich …«, kam es nun schon mit einer etwas
kläglicheren Stimme vom Beifahrersitz. »Du warst doch noch niemals in New York …«
    Röhrdanz schaute besorgt zu seiner Frau hinüber. »Du hast mir doch nicht etwa ein Flugticket nach New York gekauft? Willst du mich schon wieder loswerden?«
    »Nein, nein«, lachte Angela zitternd unter ihrer Wolldecke, die Röhrdanz fürsorglich über sie gebreitet hatte. »Ich kann es nicht mehr für mich behalten, darf ich es sagen?«
    »Natürlich. Aber warum wartest du nicht mit der Überraschung, bis wir zu Hause sind?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht bleibt mir nicht mehr so viel Zeit!«
    »Wie meinst du das?«, fragte Röhrdanz endgültig alarmiert. Seine Frau redete so seltsam. Plötzlich kam ihm dieses Gedicht in den Sinn, das Angela unlängst mit Patrick für die Schule geübt hatte: »Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind …«
    Wieso komme ich jetzt darauf?, dachte er kopfschüttelnd. Was für ein Blödsinn.
    »Also, was hast du denn für ein Weihnachtsgeschenk?«
    »Du erinnerst dich doch an Hamburg?« Angela schaute mit glänzenden Augen aus ihrer Wolldecke heraus. Ihre Zähne klapperten immer noch.
    »Damals? Als wir zum ersten Mal wieder allein unterwegs waren? Nur du und ich?«
    O ja. Röhrdanz erinnerte sich. Nur zu gern.
    »Ja. Wir waren zusammen im Musical. In ›Buddy Holly‹.«

    »Ich weiß.« Röhrdanz nickte gedankenverloren, wischte mit dem Ärmel den Rückspiegel frei. »Du hattest noch solche Angst vor den Stufen im Theater. Und dann konntest du nicht in den Orchestergraben schauen, weil du dich vor dem Abgrund gefürchtet hast.«
    »Ja, aber wir haben das Musical doch toll gefunden! Und das Frühstück im Hotel! Und den Spaziergang um die Alster …«
    »Ich erinnere mich noch viel lieber an den Spaziergang auf der Reeperbahn. Und an das Bett im Hotel. Angela?? Geht es dir besser?«
    »Ich glaube schon. Jedenfalls habe ich für das allerneueste Musical von Udo Jürgens …«
    »O nein! Jetzt habe ich mich verfahren. Wir sind ja fast im Sauerland!«
    Röhrdanz ließ das Seitenfenster herunter. Sofort strömte eisige Luft ins Auto. Aber die brauchte er jetzt. Angestrengt suchte er nach einer Wendemöglichkeit.
    »Ich konnte die Schilder kaum noch lesen«, sagte er entschuldigend. »Darf ich die Heizung jetzt ein bisschen runterdrehen?«
    »Ja, natürlich. Hauptsache wir finden heim.«
    »Ruh dich ein bisschen aus, ja?« Röhrdanz fand die Ausfahrt und fuhr auf der Gegenseite wieder auf die Autobahn.
    »Ich habe auf einmal furchtbare Rückenschmerzen!«
    Röhrdanz griff fürsorglich über sie hinweg und verstellte ihren Sitz nach hinten. »Du hast letzte Nacht vor Aufregung bestimmt kaum geschlafen. Mach ein bisschen die Augen zu!«

    »Nein, in dieser Position tut es erst recht weh …« Angela richtete die Lehne wieder auf.
    »Hast du den Ärzten in der Reha gesagt, dass du dich nicht wohlfühlst?«
    »Ja. Ich hatte ziemlich hohes Fieber, das haben meine Freundinnen festgestellt.«
    »Und das sagst du erst jetzt?« Röhrdanz versuchte, sich nicht aufzuregen. »Bist du dort untersucht worden?«
    »Nein«, kam es schwach vom Beifahrersitz. »Ich wollte es irgendwie nicht an die große Glocke hängen …«
    »Aber die Ärzte dort müssen euch doch beobachten! Wenn eine Fieber hat, muss sie doch untersucht werden …«
    Angela antwortete nicht, und Röhrdanz drückte ärgerlich aufs Gaspedal. »Was ist denn das für ein Müttergenesungswerk, wenn die Ärzte bei Fieber nicht mal was unternehmen!«
    Besorgt warf er einen Blick auf seine erkältete Frau. »Möchtest du etwas trinken? Kann ich irgendwas für dich tun?«
    »Du hast schon so viel für mich getan«, kam es krächzend von rechts. »Bring mich bitte nach Hause.«
    Mit zusammengepressten Lippen gab Röhrdanz Vollgas. »Du brauchst wohl einfach Ruhe.«
    »Ja«, sagte Angela mit leiser Stimme. Dann sagte sie nichts mehr. Sie machte die Augen zu und lächelte ein bisschen.
    Trotz überfrierender Nässe auf der Sauerlandautobahn, auf die er versehentlich geraten war, fuhr Röhrdanz
so schnell er konnte in Richtung Heimat. Die Reifen brummten über den Asphalt.
    Er hält den Knaben fest in dem Arm,

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