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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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neue Udo-Jürgens-CD und das Überspielen sämtlicher Songs auf den iPod, den ich zu Weihnachten bekomme.«
    »Das sollte eigentlich eine Überraschung sein«, knurrte Röhrdanz gerührt, als er den Blinker setzte und auf die Autobahn fuhr.
     
    F ünf Wochen später holte Röhrdanz seine Angela wieder ab. Er hatte die Stunden gezählt.
    Jeden Tag hatte Angela ihm einen wunderschönen Liebesbrief geschrieben, und er hatte sie abends zur vereinbarten Zeit angerufen. Sie erholte sich allem Anschein nach prächtig, und er hatte seinen Job als alleinerziehender Vater und Opa brillant hinter sich gebracht.
    Als er die Halle des Erholungsheimes betrat, saß sie bereits auf gepackten Koffern.

    Stürmisch umarmte sie ihn und konnte gar nicht damit aufhören, ihn mit Küssen und Tränen der Wiedersehensfreude zu überschütten.
    »Wie lange sitzt du denn schon hier?« Röhrdanz hielt seine Frau gerührt auf Armeslänge von sich weg und wischte ihr eine Träne von der Nasenspitze.
    »Seit heute früh um sieben.« Angela schluchzte und lachte gleichzeitig. »Ich habe nicht mal mehr gefrühstückt. Aber ich konnte es kaum erwarten, dich zu sehen!«
    »Hast du eine schöne Zeit gehabt?« »Ja, es war fantastisch! Ich muss dir unbedingt meine neuen Freundinnen vorstellen. Komm her, also das hier ist die Beate aus Hagen, die nenne ich nur noch Schätzchen, weil sie so süß ist. Und das ist Maren aus Düren, die wunderbar singen kann. Die Resi ist aus Bayern und eine super Skifahrerin, aber die kann ich kaum verstehen, und die Anja aus Salzburg hat vier Kinder. Die hat sie mit neun Jahren alle schon ins Ausland geschickt, aber dafür ungefähr zwanzig Pflegekinder aufgenommen. Deswegen hatte sie diese Mutterkur auch dringend nötig …«
    Angela plauderte und war so aufgedreht, dass Röhrdanz ihr kaum folgen konnte. Er schüttelte Hände, versuchte sich Namen zu merken und sah überall in lachende Frauengesichter.
    »Wir schreiben uns!«
    »Ich ruf dich an!«
    »Hast du meine E-Mail-Adresse?!«
    »Wir besuchen uns!«

    Endlich gelang es Röhrdanz, Angela zum Auto zu lotsen. Aufatmend ließ sie sich in den Beifahrersitz fallen. Sie zitterte. Er nahm ihre Hand. Sie war glühend heiß.
    »Aber Liebes, hast du dich so aufgeregt?«
    »Ich weiß auch nicht …« Angelas Zähne schlugen aufeinander.
    »Du hast ja Schüttelfrost!«
    »Ach, es ist nichts weiter …«, sagte sie bibbernd. »Ich bin so glücklich, dass ich dich wiederhabe … Wie geht es Philip, Patrick, Maurice und meinem Knuddel, Leon?«
    »Allen großartig. Aber dir scheint es gar nicht gut zu gehen.«
    Besorgt strich Röhrdanz seiner Frau eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es war schweißnass. »Ich hätte dich wohl doch nicht in dieses Mädchenpensionat stecken sollen.«
    Angela kicherte aufgeregt. »Ich muss dir so viel erzählen, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll … Also morgens haben wir immer Gymnastik gemacht, und dann gab es Frühstück …«
    Röhrdanz legte beruhigt den ersten Gang ein. Wenn seine Frau ihm von ihrer »Klassenfahrt« erzählen wollte, konnte er schon mal in Richtung Heimat losdüsen.
    »Eine ganz tolle Frau, die habe ich dir doch eben vorgestellt. Du kannst dir nicht vorstellen, was die hinter sich hat …«
    Röhrdanz hörte nur mit halbem Ohr zu und versuchte, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. In dieser Gegend kannte er sich nicht gut aus, und die Straßen waren glatt. Es war der achte Januar.

    »… und dann kommt die vom Einkaufen nach Hause, stellt das Waschpulver neben die Waschmaschine, und als sie sich aufrichtet, sieht sie ihren Mann aus der Dachluke baumeln. Dabei hatten sie gerade erst das Haus gekauft und eingerichtet, dazu noch fünf Söhne …«
    »Mein Gott«, sagte Röhrdanz kopfschüttelnd. »Was es für Schicksale gibt …«
    »Oder die Martina. Ein Riesensägewerk hatte ihr Mann. Und dann stirbt er an Herzversagen, sie steht mit ihren drei Töchtern allein da und hat keine Ahnung von Tuten und Blasen …«
    »Muss man ja auch nicht bei einem Sägewerk.« Röhrdanz setzte den Blinker und fuhr auf die andere Spur. »Sägen und Hämmern sollte man können …«
    Angela lachte. »Ach, Liebster, bin ich froh, dass ich dich wiederhabe! Was die anderen Frauen zum Teil für Scheusale zu Hause haben!«
    »Ich dachte, die sind alle tot?«
    »Na ja, die anderen! Die, die noch leben!« Angela lachte wie eine Achtzehnjährige.
    Aber irgendwas stimmte nicht. Immer wieder sah Röhrdanz prüfend zu seiner Frau hinüber,

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