Der Mann, der wirklich liebte
…!«
»Das finde ich echt in Ordnung von Ihnen«, ließ sich der bartlose Jüngling vernehmen. »Und ich sag Ihnen etwas, das ich sonst nie sage: Ich pack auch mit an!«
A ls Maurice geboren wurde, hatte sich der biologische Vater allerdings schon wieder verabschiedet.
»Den kriegen wir auch noch groß«, versicherte Angela ihrem Mann, der vor Zorn über diesen Knaben schier in die Luft gehen wollte.
»Wie willst du das denn schaffen?«, grollte Röhrdanz aufgebracht. Er trat mit dem Fuß gegen die Kellertür, so wütend war er.
»Mir geht es doch schon viel besser! Ich freue mich auf die Zeit mit dem Kleinen. Schließlich habe ich mich um meinen kleinen Patrick damals gar nicht kümmern können! Nie konnte ich mein Baby in den Armen halten, es richtig streicheln und es im Kinderwagen ausfahren. Jetzt möchte ich das mit Maurice nachholen!«
Röhrdanz konnte es nicht fassen. Was wollte sich Angela noch alles zumuten?
Sie organisierte den Haushalt längst wieder allein. Mit zwei wilden, pubertierenden Söhnen und einer ausgeflippten Tochter.
Während er in seiner Firma die Zeit wieder reinarbeitete, die er während ihres Komas versäumt hatte. Er wollte Richard, seinem Freund und Chef, beweisen, dass er nicht umsonst auf ihn gesetzt hatte. Ganz zu schweigen von dem Haus, das auf Firmenkosten gekauft worden war. Röhrdanz schuftete auch nach dem Herzinfarkt vierzehn Stunden am Tag, obwohl ihm die Ärzte zu Ruhe geraten hatten.
»Lass Denise weiter zur Schule gehen«, bettelte Angela, die den winzigen Säugling im Arm hielt und unentwegt sanft schaukelte. Röhrdanz musste schlucken. So hatte er sich seine Angela immer als Mutter vorgestellt.
Er sah seine Frau mit zusammengekniffenen Augen an: »Wird dir das nicht alles zu viel?«
Wie auf Kommando begann das arme Baby zu brüllen. So als verstünde es, worum es ging.
»Du musst immer noch alles sehr langsam angehen, darfst dich körperlich nicht belasten und stehst nach wie vor unter ärztlicher Aufsicht …« Röhrdanz regte sich leider doch auf.
»Der kleine Maurice wird mir helfen, wieder ganz gesund zu werden«, argumentierte Angela und lächelte ihn an. Auf dieses Lächeln hatte Röhrdanz viele Jahre vergeblich gewartet. Sie wirkte so glücklich, so erfüllt, so jung! Wie konnte er da böse sein!
»Eigentlich müsste Denise wissen, dass sie ihrer kranken Mutter nicht noch ein Baby aufbürden kann. Aber das Mädchen ist ja selbst noch ein Kind … wahrscheinlich haben wir es immer überfordert.« Röhrdanz blickte seine Frau schuldbewusst an.
»Wenn Denise erst ihren Schulabschluss hat, wird sie den Kleinen zu sich nehmen. Bis dahin kümmern wir uns um ihn. Außerdem hast du ihn doch selbst längst ins Herz geschlossen!«
Da hatte Angela auch wieder recht. Röhrdanz streichelte dem Kleinen vorsichtig über das Köpfchen.
Natürlich war von dem sogenannten Kindsvater, für den er erst vor Kurzem das Dachgeschoss ausgebaut hatte, kein finanzieller Unterhalt zu erwarten. Der Typ übernahm keinerlei Verantwortung.
»Schwamm drüber«, beruhigte ihn Angela, die das Baby behutsam in sein Bettchen getragen hatte. »Maurice gehört zu uns! Er ist ein Röhrdanz! Und Denise wird nie wieder solche Dummheiten machen!«
36
Nach zwei Jahren bekam Denise wieder ein Baby, Leon. Auch dieser Kindsvater war so schnell wieder weg, wie er aufgetaucht war.
Röhrdanz, der inzwischen über sechzig war, bekam erneut schwere Herzprobleme und musste für mehrere Wochen in die Klinik. Er machte sich große Sorgen um Angela, die den großen, kinderreichen Haushalt allein schmeißen musste. Diesmal wollte sein Herz sich so gar nicht erholen.
Angela besuchte ihn täglich in der Klinik. Die frisch gebackene zweifache Großmutter schob tatkräftig einen Zwillingskinderwagen durch die Krankenhausflure, während er, an Schläuche angeschlossen, neben ihr herwankte. »Mach dir um mich keine Sorgen, Liebster. Ich schaffe das. Leon ist bezaubernd, er macht mir fast keine Arbeit! Und Maurice kommt bald in den Kindergarten …«
Ihre Behinderungen waren inzwischen nur noch für Eingeweihte sichtbar, kaum jemand wusste etwas von ihrem Schicksalsschlag. Vom »Locked-in-Syndrom«, dem Eingeschlossensein im eigenen Körper.
Sie war eine ganz normale Hausfrau, Mutter und Großmutter, die zwar ein bisschen linkisch wirkte, wenn sie Auto fuhr oder neben dem Kinderdreirad herrannte, aber alle mochten und respektierten sie.
Manchmal erzählte sie ihm abends, wenn sie endlich allein
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