Der Mann, der wirklich liebte
sein.«
Da spürte Röhrdanz die kühle Hand seiner Frau auf der Stirn. Statt seiner Tochter setzte sich nun Angela zu ihm. »Du darfst dich jetzt nicht aufregen, Liebster …«
»Ich rege mich nicht auf! Hat mir der Arzt strengstens verboten!« Er versuchte ein Lächeln.
»Es gibt da was, das wir dir sagen müssen …«
Röhrdanz spürte, wie sein Blutdruck stieg. Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, und wandte die Atemtechnik an,
die er hier in der Rehaklinik gelernt hatte. Einatmen, ausatmen. Fünfmal ganz langsam und bewusst. Sein Herzschlag beruhigte sich. Was sollten jetzt noch für Stürme kommen? Hatte die Familie Röhrdanz durch ihre Liebe und ihren Zusammenhalt nicht alle Orkane überlebt?
»Denise, komm her und sag es dem Papa selbst.« Angela stand auf und machte Platz für ihre Tochter. Schon liefen ihr die Tränen über das Gesicht, sie konnte es einfach nicht verhindern.
Scheu näherte sich Denise und nahm auf seiner Bettkante Platz. Die Fünfzehnjährige sah besorgniserregend blass und mager aus. Ihr kindliches Gesicht hatte einen trotzigen Zug angenommen, der ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung nur noch unterstrich. Als er dieses Häufchen Elend von Tochter da sitzen sah, schwor sich Röhrdanz, nicht zu schimpfen und sich nicht aufzuregen, egal was sie zu beichten hatte.
»Ich bin schwanger«, flüsterte Denise kaum hörbar.
»Das ist … das ist doch …« Röhrdanz’ linker Arm schien plötzlich gelähmt zu sein. »Wer ist …, ich meine, von wem …«
Denise schluchzte inzwischen lauthals.
»Sag jetzt nicht, der Kerl aus dem Zelt …«
Mutter und Tochter nickten, aber sagen konnten sie beide nichts.
Röhrdanz fühlte sich wie skalpiert. Das Blut pulsierte ihm in den Schläfen. »Wir finden jemanden, da gibt es Möglichkeiten …«, stieß er hervor.
Ein Apparat, an den er angeschlossen war, fing an zu piepen, und gleich darauf flog die Türe auf. Noch während
eine Schwester mit fliegendem Kittel zu ihm hereinstürzte, hörte er, wie Denise verzweifelt rief: »Dafür ist es schon zu spät!«
A ls Röhrdanz nach Monaten aus der Rehaklinik zurück nach Hause kam, rundete sich das Bäuchlein seiner Tochter bereits deutlich. Sie stand Hand in Hand mit einem etwa siebzehnjährigen Jungen am Gartenzaun und lächelte ihm scheu entgegen. Bevor er sich diesen Grünschnabel vorknöpfen konnte, der noch nicht mal Flaum auf der Oberlippe hatte, stürmte seine geliebte Angela ungestüm auf ihn zu und umarmte ihn. »Endlich! Da bist du wieder! Bitte reg dich jetzt nicht auf, sonst musst du gleich zurück ins Krankenhaus. Und noch länger halte ich es ohne dich nicht aus …«
»Ist ja gut, ich rege mich nicht auf. Meinst du, ich will wieder zurück in diesen Kasten?«
Während Angela ihn mit Küssen überschüttete, flüsterte sie ihm heiser ins Ohr: »Das ist ihre große Liebe, bitte schimpf nicht! Gönn ihr diesen Jungen, hörst du? Sie hat doch immer zurückgesteckt …«
Sanft schob Röhrdanz seine Frau von sich: »Wohnt der etwa hier?«
»Ja, er schläft mit Denise in ihrem Zimmer.« Röhrdanz traute seinen Ohren nicht. »Mit unserem kleinen Mädchen? In einem Zimmer?«
»Er ist der Vater des Babys. Also, was soll’s.« Sie war so aufgeregt, dass sie von einem Bein aufs andere trat. »Ich habe es erlaubt …«
»Du hast es ihr … erlaubt?!« Röhrdanz blieb die Spucke
weg. Er kam sich vor wie das berühmte HB-Männchen aus der Werbung, das von einer Hand daran gehindert wurde, vor lauter Wut hochzugehen wie eine Rakete: »Wer wird denn gleich in die Luft gehen …« Tatsächlich hielt Angela ihn mit einer Hand fest. »Denk doch mal an Bessy!«
Röhrdanz brauchte nur wenige Sekunden, bis er sich wieder gefasst hatte. Dann ging er entschlossen zum Gartenzaun und reichte dem bartlosen Burschen die Hand. Obwohl er ihm kein bisschen sympathisch war, rang er sich von den Lippen: »Willkommen in unserer Familie.«
»Tja dann … Tach auch«, sagte der Bursche überrascht. »Denise hat mir gesagt, Sie wären schrecklich streng?!«
»Das bin ich normalerweise auch.« Röhrdanz drückte das Rückgrat durch. »Aber in diesem Fall …« Er kratzte sich kurz am Kopf, seine Gehirnzellen arbeiteten auf Hochtouren.
»… wo ihr bald Eltern werdet … Jetzt, nachdem Oliver aus seinem Dachgeschoss ausgezogen ist, könnte ich es ausbauen, fürs junge Glück!«
Denise rannte erleichtert zu ihrer Mutter, umarmte sie stürmisch. »Ich hab’s gewusst, Mama! Der Papa macht es, der Papa macht es
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