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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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aus. Ohne darüber nachzudenken, schob der Pfarrer das Kreuz über der Küchentür wieder in seine ursprüngliche schiefe Position zurück.
    »Ich weiß nicht«, sagte der Geistliche. »Glauben Sie mir. Ich bin auch nur ein Mensch.«
    Röhrdanz packte seinen Arm. »Würden Sie die Apparate abstellen lassen, Herr Pfarrer? Denn dann gibt es nämlich kein Zurück mehr. Und Sie fragen sich Tag und Nacht, ob Sie das Richtige getan haben.«
    »Ich habe keine Frau. Und dies ist einer der Momente, in denen ich Gott dafür danke.«
    »Wenn Sie eine hätten? Eine, die Sie über alles lieben?«
    »Lassen Sie uns einen Weg beschreiten, den wir nicht unbedingt zu Ende gehen müssen.«
    »Das verstehe ich nicht …« »Wenn wir ihn nicht gehen müssen, sind wir froh. Und wenn wir ihn doch gehen müssen, haben wir schon den ersten Schritt getan. Und dann ist alles nicht mehr so schlimm.«
    »Was meinen Sie?« »Lassen Sie uns über die Beerdigung sprechen. Wen wollen Sie einladen? Wer stand Angela nahe?«
    »Nein!«, schrie Röhrdanz, halb wahnsinnig vor Schmerz. »Sie lebt! Sie lebt doch noch! Und das Baby auch! Wir können doch nicht …« Röhrdanz schluchzte
hemmungslos. »Das können Sie mir doch nicht antun!«
    »Gehen Sie diesen Schritt mit mir. Wir nehmen jetzt einen Stift und beschriften Umschläge mit Namen und Adressen. Ich helfe Ihnen.«
    »Das ist ja … vollkommen verrückt ist das …«
    »Es ist ein erster Schritt, den Willen Gottes anzunehmen. Ein erster Schritt zum Gehorsam. Abraham hat seinen Sohn auch opfern wollen. Und Gott hat ihn im letzten Moment erlöst.«
    »Was?«, schnaubte Röhrdanz fassungslos.
    »Wenn wir die Umschläge nicht brauchen, werfen wir sie einfach weg, einverstanden?«
    Röhrdanz hob den Kopf. Jetzt sah er, dass der Pfarrer auch weinte.
    Vielleicht wollte Gott wirklich ein Zeichen des Gehorsams. Vielleicht musste er aufhören, sich dagegen aufzubäumen. Vielleicht würde Gott dann ein Einsehen haben.
    Ja. Das war vielleicht ein Weg. Der Pfarrer musste es ja wissen.
    Röhrdanz nickte stumm. Er ging leise ins Arbeitszimmer hinüber, kramte in seinem Schreibtisch, auf dem ein Bild von der lachenden Angela stand, strich liebevoll und fragend darüber und holte die Umschläge hervor. »Du machst Sachen«, sagte er zu dem Bild.
    Dann setzte er sich mit dem Pfarrer an den Tisch.
     
    R öhrdanz lag im Krankenhausbett neben Angela. An Schlaf war nicht zu denken. Alle paar Minuten glitt die
Nachtschwester zur Tür herein und mit ihr der Lichtschein vom Flur. Sie schaute nach Angela, saugte ihr den Schleim ab, prüfte die Apparate und huschte wieder hinaus. Röhrdanz warf sich unruhig hin und her. Schlief Angela? War sie wach? Lebte sie noch? So konnte es doch nicht weitergehen! Er selbst war am Ende seiner Kräfte.
    Seit einer Woche hatte er nicht mehr als eine Stunde am Stück geschlafen. Zu Hause warteten die Kleinen, die nach ihrer Mama weinten und die er trösten musste. Ein paar Häuser weiter wohnte die Schwiegermutter, die ebenfalls Trost brauchte. In der Firma saß er wie gelähmt am Schreibtisch und starrte Löcher in die Luft. Der Kühlschrank war leer, die Kindergärtnerin hatte ihn ermahnt, Denise endlich mal frische Sachen anzuziehen. Das Baby schrie und schlug nach ihm, wenn er es füttern wollte.
    Dagmar versuchte so oft es ging auf die Kleinen aufzupassen, aber sie war zu jung für die dauerhafte Verantwortung.
    Die Nachbarn steckten die Köpfe zusammen, wenn er ihnen im Treppenhaus begegnete.
    Alle waren neugierig und wollten wissen, was passiert war. Alle redeten davon, helfen zu wollen. Aber niemand half.
    Es war ein unerträglicher Zustand. Am liebsten wäre er selbst gestorben.
    Leise erhob er sich, wobei seine Glieder schmerzten. Er beugte sich über Angela, die dunkle Gestalt, die einmal seine Frau gewesen war. »Schläfst du, Liebling?«
    Der fahle Mond schob sich als milchige Sichel durch den Nebel, und Röhrdanz sah ihr Profil, das in diesem
Zwielicht noch unheimlicher aussah als sonst. Die Schläuche in ihrer Nase ließen es wirken wie ein Gruselbild.
    »Ich muss mir mal die Beine vertreten, aber keine Angst, ich hau nicht ab.« Röhrdanz berührte vorsichtig ihren Arm. »Schlaf weiter, Liebes. Ich komme wieder.«
    Seine Stimme klang rau. Wo sollte er noch Trost und Zuversicht hernehmen? Lieber Gott, bist du da draußen, irgendwo am Himmel? Gibt es einen winzigen Funken Zuversicht?
    Der Mond verschwand wieder hinter einer riesigen schwarzen Wolke, die noch den letzten

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