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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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dem Brei nicht hingekriegt hab. Und der kleine Philip hat gebrüllt, dass die Nachbarn von unten an die Decke geklopft haben …«
    Keine Reaktion. Bis auf die Tränen, die unaufhörlich aus ihren toten Augen liefen.
    »Aber ansonsten kommen wir großartig zurecht. Ich hab den Kindern erzählt, dass du dich nur ein bisschen ausruhst. Und das machst du auch.«
    Röhrdanz beugte sich über Angelas unbewegliches Gesicht und hauchte ihr einen Kuss auf den weit geöffneten Mund. »Eines verspreche ich dir: Ich lass dich nicht im Stich. Wir packen das.«
    Während er noch nach weiteren Worten suchte, mit denen er seine Frau beruhigen konnte, hörte er eilige Schritte und Stimmen im Flur:
    »Sie müssen das unterschreiben, denn Herr Röhrdanz weigert sich.«
    Der arrogante Oberarzt. Verdammt.
    »Ich weiß doch gar nicht, ob das richtig ist …«, hörte er nun Helga wimmern. »Wenn mein Schwiegersohn nicht will, kann ich doch nicht gegen seinen Willen …«
    »Hörst du, Liebes. Jetzt bekommst du schon wieder Besuch …«
    »Der Mann klammert sich an den aberwitzigen Gedanken, sie könnte ins Leben zurückkehren. Aber das tut sie nicht. Es steht nicht einmal fest, ob sie ihn überhaupt verstehen kann.«
    »Aber das Baby …« Die Stimmen wurden leiser, man stand direkt vor der Tür.

    »Also bitte, gute Frau, Sie haben doch selbst mal Kinder geboren. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Ihre Tochter in diesem Zustand noch ein Kind bekommen kann?«
    »Ich weiß nicht …« Helga schluchzte auf.
    »Und wenn es - was ein Ding der Unmöglichkeit ist - rein biologisch weiterreifen würde, nur mal so, gesetzt den Fall …«
    Jetzt waren die Stimmen direkt vor dem Zimmer angekommen. Röhrdanz drückte Angelas Hand so fest, dass seine Fingernägel sich in ihre Haut bohrten. »Dann würde das Baby für immer schwerbehindert sein. Wollen Sie das verantworten? Können Sie das Ihrer Tochter gegenüber verantworten?«
    »Nein!«, jammerte Helga. »Mein Mann ist erst vor wenigen Jahren gestorben, ich weiß wirklich nicht, womit ich das alles verdient habe!«
    »Bringen Sie der Frau doch einen Stuhl! Und ein Glas Wasser! Und wenn sie sich beruhigt hat, soll sie das hier durchlesen und in Gottes Namen unterschreiben!«
    Der Oberarzt entfernte sich. »Ich habe auch noch andere schwere Fälle hier, und wenn der Chefarzt nicht da ist, weiß ich vor Arbeit nicht mehr wohin …«
    Röhrdanz hörte seine Schwiegermutter schluchzen, hörte, wie jemand ihr einen Stuhl brachte und beruhigend auf sie einredete. »Bitte hören Sie auf Ihr Herz«, sagte eine Frauenstimme leise. »Tun Sie, was eine Mutter tun muss.«
    »Ich muss da auf meinen Schwiegersohn hören«, weinte Helga hilflos. »Der will das nicht!«

    »Beruhigen Sie sich erst mal«, sagte die Frauenstimme. »Trinken Sie ein Glas Wasser. Niemand will Sie hier zu etwas zwingen.«
    »Und wenn sie doch wieder aufwacht? Ich kann doch nicht das Todesurteil meiner Tochter unterschreiben! Und das meines ungeborenen Enkels!«
    Aus Angelas Augen strömten unablässig Tränen. Sie hörte jedes Wort, da war sich Röhrdanz sicher. Ihn erfasste unbändige Wut.
    »Ich muss da mal eben für Ordnung sorgen«, zischte Röhrdanz und sprang auf. »Die drehen hier ja alle durch. Keiner stellt hier irgendetwas ab. Verlass dich auf mich. Hab ich dich je hängenlassen, Liebes?«
    Mit einem letzten Blick auf seine gelähmte Frau begab sich Röhrdanz in den Krankenhausflur.

11
    »Es ist ein schweres, schweres Los, das Gott Ihnen da auferlegt hat.« Der Pfarrer ging mit bedächtigen Schritten in der kleinen Küche hin und her. Er sah das Kruzifix etwas schief über der Tür hängen, versicherte sich kurz, dass Röhrdanz gerade nicht hinsah, und schob es mit zwei Fingern gerade: »Die Wege des Herrn sind oft unergründlich.«
    »Herr Pfarrer, ich kann das nicht«, schluchzte Röhrdanz. Ihm war das ganze schreckliche Ausmaß erst bewusst geworden, als der Geistliche an der Tür geklingelt hatte.
    Die Kleinen schliefen, und Oliver saß mit Kopfhörern, aus denen laute Musik dröhnte, in seinem winzigen Zimmer. Der dreiundzwanzigjährige Christian rief regelmäßig aus Mexiko an. Jetzt wollte er den nächsten Rückflug nehmen.
    »Das ist gewiss ein schwerer Weg.«
    »Aber wieso wir? Wieso Angela? Sie hat doch keiner Menschenseele irgendwas getan!«
    »Unergründlich. Der Herr will uns mit seiner vermeintlichen Härte prüfen …«
    »Angela ist der gutmütigste Mensch, den man sich nur denken …«
    »Er nimmt uns oft

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