Der Mann, der wirklich liebte
dann …« Röhrdanz hob ziemlich eingeschüchtert sein Glas. Ein kühles Bier hätte ihn an diesem schwülen Sommerabend mehr angelacht, aber offensichtlich war man in diesem Haus nicht zum Feiern aufgelegt.
»Was hat Ihnen Ihre Tochter denn so Ungeheuerliches offenbart?« Röhrdanz musste dazu all seinen Mut zusammennehmen.
»Sie hat von heiraten gesprochen. Von großer Liebe und solch einem Firlefanz«, antwortete Gerd.
»Wir sind ja aus allen Wolken gefallen!« Das war das Erste, was Helga von sich gab.
»Nun ja, sie hätte Sie vielleicht etwas geschickter vorbereiten können.« Röhrdanz kratzte sich am Kopf und sah sich suchend um. Angela war wie weggezaubert!
»Wie stellen Sie sich das denn eigentlich vor?«, herrschte Gerd ihn an.
Angela, komm jetzt mal und steh mir bei, dachte Röhrdanz unsicher. Das ist wirklich unfair, was du hier mit mir machst!
»Wir … äh«, Röhrdanz räusperte sich und schluckte seinen Kloß im Hals mit dem Rest Apfelsaft hinunter - in der Hoffnung, dass in der nächsten halben Stunde der Sektkorken knallen möge. »Wir haben uns verliebt, sind sehr glücklich zusammen, und ich möchte Sie hiermit in aller Form …«
O Mann. Da hätte Angela ihn wirklich etwas besser vorwarnen können!
Röhrdanz stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl fast umkippte, und stellte sein leeres Glas kopfschüttelnd wieder ab. Er rang nach Worten und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass Helga sofort wieder den grünen Filzuntersetzer darunterschob.
»… in aller Form hier und jetzt …«
Na warte, Angela, na warte!
»… um die Hand Ihrer Tochter bitten.«
So. Jetzt war es heraus. Im Hintergrund hörte er eine Mädchenstimme kichern.
War das etwa Angela? Er drehte sich hastig um und sah gerade noch eine pummelige Gestalt aus seinem Blickfeld huschen.
»Dagmar, geh in dein Zimmer!«, schnauzte der Vater Angelas jüngere Schwester an.
Ja wie? Röhrdanz rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Hatte der Vater Angela auch in ihr Zimmer geschickt?
Plötzlich wurde ihm klar, woher Angela ihre anfängliche Schüchternheit hatte. Sahen denn diese Eltern nicht, was für eine starke, reife Persönlichkeit ihre Tochter war?
»Sie haben mit meiner Tochter bereits Sex gehabt …?« Diese Frage kam so schneidend, dass Röhrdanz sich wünschte, eine Falltür möge sich öffnen und ihn verschlingen. Gleichzeitig wurde er langsam wütend. Er hatte nicht vor, sich dermaßen anschnauzen zu lassen!
»Ich habe Angela nicht vor ihrem achtzehnten Geburtstag angerührt.«
Der Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die Gläser auf ihren Filzuntersetzern hüpften. »Das will ich hoffen!«
»Gerd, bitte.« Das war Helga. Sie musterte Röhrdanz, der sich vor Verlegenheit wand, und ihr Blick wurde zunehmend weicher.
»Sie waren schon einmal verheiratet, wenn ich das richtig verstanden habe?«, fragte sie nicht unfreundlich.
»Ja. Wir sind seit Kurzem geschieden.«
»Und woran ist Ihre Ehe … gescheitert?«, fragte Gerd.
»Gerd, bitte«, sagte Helga und schenkte Röhrdanz erneut langweiligen Apfelsaft ein. Immerhin schien sie sich langsam für ihn zu erwärmen.
»Na, wer sich in der Firma an Untergebene ranmacht, muss sich diese Frage schon gefallen lassen.«
»Ich habe mich nicht an Angela ›rangemacht‹. Wir haben uns verliebt, und sie ist meiner Meinung nach alt genug, um solche Entscheidungen selbst zu treffen.« Röhrdanz stand auf. »Wenn ich mich jetzt empfehlen darf … Ich denke, dass wir auch ohne Ihren Segen glücklich werden.«
»Nun bleiben Sie schon sitzen!« Der Vater wollte ihn am Ärmel ziehen, aber Röhrdanz riss sich los.
»Sie ist ja ganz verknallt in Sie, das dumme Ding.« Er schien diese Aussage für ein Einlenkmanöver zu halten, und Helga sagte wieder: »Gerd, bitte!«
»Ersteres kann ich bestätigen, zweites nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Angela ist kein dummes Ding.« Röhrdanz zeichnete mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. »Sie ist eine erwachsene, intelligente Frau, die außerdem in keiner Weise mehr meine …« - wieder Gänsefüßchen - »Untergebene ist.«
»Wie stellen Sie sich das also vor?«
»Nun, ich werde Angela heiraten, und wir werden zusammenziehen. Sie verdient ihr eigenes Geld, trotzdem dürfen Sie gerne fragen, ob ich sie überhaupt ernähren kann. Die Antwort lautet: Ja, ich kann. Möchten Sie meine Gehaltsabrechnung sehen?« Röhrdanz begann, in seiner Gesäßtasche zu kramen. »Die habe ich nämlich zufällig heute
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