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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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machte Julia ein Zeichen, und diese nahm den Zahnputzbecher, füllte ihn mit kaltem Wasser und kippte ihn Röhrdanz ins Gesicht.
    »’tschuldigung, Chef.« Julia und Elli kicherten und hielten sich aneinander fest. »Tut mir leid, aber das musste
sein …« Elli wischte Röhrdanz mit einem Handtuch im Gesicht herum.
    »Los, du musst dich jetzt zusammenreißen. Das kannst du Angela nicht antun!«
    »Wo bin ich?«, fragte Röhrdanz benommen. Immerhin hatte das kalte Wasser ihn endgültig aufgeweckt.
    »Na bei dir zu Hause! Wir haben dich um fünf Uhr früh mit dem Taxi hergebracht.«
    »Warum?« Röhrdanz sah sich suchend um. »Wo ist Angela?«
    »Bei ihren Eltern! Die ist ganz brav um Mitternacht nach Hause gegangen«, sagte Elli.
    »Weil sie nämlich heute etwas Wichtiges vorhat«, fügte Julia hinzu. »Du sollst ja das Kleid noch nicht sehen.«
    »Das … äh … Kleid. Oh.« Plötzlich wurde Röhrdanz hellwach. »Sagt mir nicht, dass ich heute heirate.« Endlich begriff er den Ernst der Lage. »Oh. Okay. Wie viel Zeit habe ich noch?«
    »In einer Stunde musst du in der Kirche sein!«
    Röhrdanz sprang auf, wobei sein Schädel dröhnte, rannte in Unterhosen ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu.
    O Gott, dachte er, als er unter der eiskalten Dusche stand. Was habe ich gemacht! Wie konnte das nur passieren. Mann, war das eine lustige Party gestern. Wie gut, dass sich die zwei um mich gekümmert haben. Gleich heirate ich meine Traumfrau. Meinen Engel. Meine heiß geliebte Angela. Oh, mein Gott. Ich bin noch total verkatert. Wie soll ich das hinkriegen? Wird sie mir das je verzeihen?

    Während er mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch barfuß durch die Wohnung tappte und gar nicht wusste, was er eigentlich wollte - Kaffee machen? Zähne putzen? Zeitung lesen? Ach nee, ich hab ja keine Zeit -, merkte er, dass Elli bereits seinen Hochzeitsanzug samt Krawatte und Hosenträgern zurechtgelegt hatte. Im Moment bügelte sie das weiße Hemd.
    O Gott, war ihm schlecht! Nie im Leben würde er wieder ein Glas Alkohol zu sich nehmen. Dieser Schnaps gestern … Der letzte musste schlecht gewesen sein. Mit jedem einzelnen Kollegen hatte er anstoßen müssen.
    Willenlos ließ er sich anziehen, Julia kniete zu seinen Füßen und streifte ihm die schwarzen Socken über, während Elli ihm das Hemd zuknöpfte. Dann machte sich Julia mit Bürste und Föhn an seinen Haaren zu schaffen, während ihm Elli drei Aspirin auflöste.
    In Windeseile rannten sie zu dem bereitstehenden Taxi. Im Auto musste Röhrdanz gegen Brechreiz ankämpfen und kurbelte die Scheibe herunter.
    »He, aber nicht in mein Taxi, dass wir uns da richtig verstehen!«, schimpfte der Taxifahrer. Elli tupfte Röhrdanz vom Rücksitz aus mit einem in 4711 getränkten Taschentuch die Stirn.
    »O Gott, mach, dass ich die nächsten Stunden überlebe …«
    »Das schaffst du schon, Chef.« Julia und Elli klopften ihm von hinten auf die Schulter, während sie sich über ihn kaputtlachten, dann hielt das Taxi auch schon vor der Kirche.
    Röhrdanz schleppte sich mit summendem Schädel,
gestützt von Julia und Elli nach vorn zur ersten Bank. Dann setzte auch schon die Orgel ein - aaaaah, dieses unerträgliche Geräusch! Es war, als würden tausend Düsenjäger durch seinen Kopf rasen und den Ausgang nicht finden. Angela schritt am Arm ihres Vaters durch den Mittelgang, und Röhrdanz wandte sich um. Alles drehte sich. Da kamen sie, die beiden Bräute … O Gott, wie schön sahen sie aus … Die beiden Väter traten zur Seite, und die Bräute stellten sich neben ihn … Die Brautkleider waren ein einziger Traum aus weißer Spitze, Taft und Rüschen. Lieber Gott, dachte Röhrdanz, mach, dass ich nur eine davon heiraten muss. Das reicht schon.
    Röhrdanz hielt sich an der Bank fest, weil er so schwankte.
    »Puh, riechst du nach Alkohol«, flüsterte Angela und grinste.
    Die beiden Pfarrer fingen an zu reden, sie trugen ebenfalls lange Gewänder, beugten sich vor und sprachen von der Liebe: »Die Liebe eifert nicht, die Liebe ist langmütig, sie vergleicht nicht, sie wiegt nicht auf, sie verzeiht, und sie ist ein Kelch der Freude. Und hätte ich die Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle …«
    In seinem Kopf war auch eine klingende Schelle …
    »Bitte macht voran«, hörte Röhrdanz sich krächzen. »Ich kippe hier gleich um …«
    Die beiden Pfarrer ließen sie niederknien, und Röhrdanz schaukelte wie ein Seemann.
    Angela stieß ihn

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