Der Mann, der wirklich liebte
Meine beiden Jungs nehme ich jetzt sofort mit.
Sie brauchen ein Zuhause, sie brauchen mich.
Und Liebe, Wärme, ein geregeltes Familienleben, vor allem Oliver. Und die gibt es. Ab sofort.
»Geht jetzt rauf und packt ein paar Sachen!« Er machte eine rasche Handbewegung, und die Jungs stürmten begeistert in ihre verwahrlosten Zimmer.
»Nimmst du uns mit? Dürfen wir zu dir?«
»Lasst mich eine Minute allein, ja?«
Er wusste, dass Angela ihn unterstützen würde.
Sie war nur selbst erst vierundzwanzig.
Er sah auf die Uhr. Ja, seine Kleine musste gerade nach Hause gekommen sein. Entschlossen griff er zum Telefon.
S o kam es, dass aus ihrem Liebesnest eine wilde, laute Familienwohnung wurde. Angela nahm die beiden Bengels, die sie nie zuvor gesehen hatte, mit offenen Armen auf. Selbstverständlich räumte sie ihr Schlafzimmer und schlief ab sofort mit Röhrdanz auf der Wohnzimmercouch. Die Jungs verwandelten ihre ehemalige Kuschelhöhle sofort in einen Saustall. Statt leiser Musik lief nun in voller Lautstärke Rockmusik, und statt ätherischer Düfte, mit denen sie sich gegenseitig verwöhnt hatten, waberten nun ganz andere Ausdünstungen durch die Wohnung. Überall flogen Klamotten der beiden herum, weil ihnen niemand beigebracht hatte, aufzuräumen. Sie hatten ja wie die Höhlenmenschen gehaust, und Angela nahm sich ihrer mit einer Engelsgeduld an.
Mit ihrer fröhlichen Art, ihrer ansteckenden guten Laune und ihrer Hilfsbereitschaft gelang es ihr, die Herzen der Jungs im Sturm zu erobern.
Und jeden Abend zauberte sie ein inzwischen durchaus essbares Gericht auf den Tisch.
Als das Jugendamt Röhrdanz endlich das Sorgerecht zusprach und die Mutter der Jungs endlich einsah, dass sie besser bei dem Vater aufgehoben waren, flogen sie in den Sommerferien alle vier nach Mallorca. Röhrdanz konnte seine lebhafte Familie großzügig einladen. Er war inzwischen beruflich noch weiter vorangekommen, und ihm unterstanden mehrere Außendienstmitarbeiter.
Sie verlebten unbeschwerte, herrliche Ferien. Immer wieder musste Röhrdanz seine neu erworbene Videokamera zücken, um seine Lieben für die Ewigkeit festzuhalten.
Dass es so viel Glück geben kann, dachte er. Röhrdanz, du bist ein echter Glückspilz.
B ald bezogen sie eine größere Wohnung, in der sie alle wieder ein eigenes Zimmer hatten. Und als ob ihr Leben nicht schon fantastisch genug wäre, legte das Schicksal ihnen noch ein Sahnehäubchen obendrauf: Angela war endlich schwanger.
19
Röhrdanz, du darfst jetzt nicht schlappmachen. Das ist die erste Geburt, bei der du dabei sein darfst, und jetzt kipp hier nicht aus den Latschen!
Röhrdanz war für einen kurzen Moment aus dem Kreißsaal geschlüpft, weil er die Schmerzensschreie Angelas nicht mehr ertragen konnte. Sie gab sich alle Mühe, genau das zu tun, was sie im Vorbereitungskurs gelernt hatte. Sie biss die Zähne zusammen, hechelte, atmete, presste, aber nichts half. Das Kind wollte nicht vor und nicht zurück. Seit dreiundzwanzig Stunden lag Angela bereits in den Wehen, und nun hatten sie alle Kräfte verlassen.
Ihr Kopf war immer wieder auf das Kissen zurückgesunken, die Äderchen in ihren Augen waren geplatzt, und ihre sonst so schönen seidigen Haare klebten ihr schweißnass am Kopf. Er hatte nicht geahnt, dass eine Geburt so quälend für Mutter und Kind, aber auch für den werdenden Vater sein konnte.
Röhrdanz schloss die Augen und lehnte seinen Hinterkopf an die kühle Wand im Krankenhausflur. Aus dem Kreißsaal hörte er seine Frau wieder schreien, und dann, noch lauter, die Stimme der Hebamme, die ihr Anweisungen gab.
»Und noch ein bisschen, noch ein bisschen, und jetzt hecheln, nicht mehr pressen …«
»Ich kann nicht«, hörte er Angela stöhnen. »Ich schaff’s nicht!«
»Doch, Sie schaffen das! Es ist noch kein Kind dringeblieben!«
Die robuste Hebamme hatte ihm geraten, doch mal an die frische Luft zu gehen, denn es würde seiner Frau nicht helfen, wenn er hier umkippen würde. Sie hatte wohl bemerkt, dass er weiß wie die Wand geworden war.
»Die Väter im Kreißsaal sind immer das Schlimmste«, hatte sie geschimpft. »Erst Händchen halten und alles besser wissen wollen, und dann kippen sie mir um, weil sie kein Blut sehen können.«
Das Blut war für Röhrdanz nicht das Schlimmste. Er konnte nur seine geliebte Frau nicht so leiden sehen.
Er spürte keineswegs Ekel, wenn er die glitschige Angelegenheit zwischen ihren Beinen betrachtete, ganz im Gegenteil, er
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