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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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seufzte Professor Leyen mit einem So-leides mir-tut-Gesicht. »Die Krankenkasse spielt nicht mehr mit.«
    »Verlegen?« Röhrdanz raufte sich gequält die Haare. »Aber wohin denn?«
    Hier in Leverkusen war seine Angela gut aufgehoben gewesen. Inzwischen kannte er das ganze Personal, fand den Weg zu ihrem Zimmer selbst im Stockdunkeln. Er vertraute den Ärzten, Schwestern, Pflegern. Angela schien sich mit ihrem neuen »Zuhause«, dem Zimmer, in das sie einst »zum Sterben« verlegt worden war, einigermaßen arrangiert zu haben. Die Einunddreißigjährige betätigte mit dem kleinen Finger, den sie bewegen konnte, die Klingel und teilte mithilfe der Buchstabentafel und Blinzeln ihre Bedürfnisse mit. Man konnte sie inzwischen verstehen, man wusste, wie man ihre Pein lindern konnte.
    In ihrem Zimmer wurden alle Lieder von Udo Jürgens rauf und runter gespielt. Zuletzt hatte Professor Leyen bei »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an«, sogar ein paar Tanzschritte mit Schwester Brigitte gewagt.
    Es hatte an Angelas Bett sogar heitere, unbeschwerte
Momente gegeben. Die Kinder waren in letzter Zeit immer öfter für einen kurzen Besuch bei ihr gewesen.
    Obwohl sich ihr Zustand kaum gebessert hatte, war sie doch in ihrem Kokon, ihrem Bett, ihrem Zimmer irgendwie »zu Hause«. Und das sollte ihr jetzt auch noch genommen werden?
    »In Bad Godesberg ist das nächstgelegene Pflegeheim für Komapatienten.« Professor Leyen lehnte mit unglücklicher Miene an seinem Schreibtisch. »Es tut mir wahnsinnig leid für Sie, aber mir sind die Hände gebunden …«
    Wem die Hände gebunden sind, wissen wir beide, dachte Röhrdanz. Meiner Frau. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    »Aber Bad Godesberg ist hinter Bonn, das sind achtzig Kilometer!«
    »Tja.« Professor Leyen putzte seine Brille mit dem Kittelzipfel, und in seinem Gesicht lag aufrichtiges Bedauern. »Da werden Sie Ihre Frau nicht mehr jeden Tag besuchen können. Das wird eine harte Umstellung für Sie werden …«
    »Dort kommen die hoffnungslosen Fälle hin.« Röhrdanz spürte, wie seine Knie weich wurden. »Sie stirbt mir, wenn sie mich nicht mehr täglich sieht!«
    Professor Leyen presste die Lippen zusammen. »Sie wird dort nicht die einzige Komapatientin sein«, sagte er schließlich, wobei er den Kopf gesenkt hielt. »Sondern nur eine von vielen. Da ist nicht viel Leben in der Bude, um mit Ihren Worten zu sprechen.«
    Röhrdanz sank auf einen Stuhl. »Das können Sie mir nicht antun, Herr Professor Leyen. Mir nicht und meiner
Frau erst recht nicht! Und den Kindern nicht. Bitte«, flehte er. »Wir haben doch schon genug durchgemacht!«
    »Das weiß ich nur zu gut …« Professor Leyen kaute ratlos an seinem Brillenbügel. »Aber wir sind ein ganz normales Krankenhaus. Wissen Sie, was der Aufenthalt Ihrer Frau hier die Krankenkasse täglich kostet?«
    Röhrdanz senkte den Kopf und schwieg. Das wollte er lieber nicht wissen.
    »Schauen Sie sich die Einrichtung doch mal an, Herr Röhrdanz.«
    »Nein. Da kommt sie mir nicht hin!« Röhrdanz war entschlossen zu kämpfen, wie er vom ersten Moment an gekämpft hatte. Seine Liebe zu Angela war unerschütterlich. Er würde nicht zulassen, dass man sie so weit weg brachte.
    »Ich kann mir schon vorstellen, wie es dort aussieht.« Er machte eine weit ausholende Geste. »Da stehen die Rollstühle im Flur, im Garten, überall. Nichts als leblose Gestalten. Da gibt es kein Leben, keine Kinder, kein Lachen, wie Angela es hier gewohnt ist. Da geht sie mir ein …«
    Professor Leyen bekam feuchte Augen. Er hatte die tapfere Patientin und ihren unbeugsamen Mann, der ihr nicht von der Seite wich, längst ins Herz geschlossen.
    »Herr Röhrdanz, ich weiß selbst, dass Angela das nicht überleben wird.« Der Professor rieb sich müde die Augen. »Sie und Ihre Frau liegen mir wirklich ganz besonders am Herzen. Ich werde …«
    Er verstummte und schüttelte ratlos den Kopf.
    »Sie werden eine Lösung finden …?« Röhrdanz hob
hoffnungsvoll den Blick. Am liebsten hätte er den Arzt beim Kittelkragen gepackt und geschüttelt. »Bitte, Professor Leyen!« Seine Stimme wackelte bedenklich.
    »Es gibt da eine Tagesklinik, in Köln …«, überlegte Professor Leyen laut. »Ein neurologisches Therapiezentrum, in dem täglich mit den Patienten gearbeitet wird. Wo sie wieder üben, die gelähmten Gliedmaßen zu bewegen. Sie lernen dort mithilfe gezielter Therapien zu schlucken und zu sprechen. Aber das sind viel leichtere Fälle …« Professor Leyen

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