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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Röhrdanz heiser, während sie mit Tempo dreißig nach Hause tuckerten. Das Hupen und Blinken der Hintermänner ignorierte er. Schließlich hatte er schon ganz andere Dinge ignoriert. Es konnte nur noch besser werden.
     
    » W o ist Denise?« Röhrdanz hatte einen langen Arbeitstag hinter sich. Seit es mit Angela wieder aufwärts ging, gab er in der Firma hundertfünfzig Prozent. Patrick und Philip hockten in Socken vor dem Fernseher. Sie waren inzwischen zehn und elf.
    »Keine Ahnung!«, antworteten die beiden, ohne den Blick von der Mattscheibe zu lösen. Im Fernsehen fielen irgendwelche Kampfroboter mit lautem Geschrei übereinander her und schossen sich gegenseitig zu Brei. Die Jungs fuchtelten mit ihren Joysticks, anscheinend waren sie in ein Computerspiel vertieft.
    Oliver war inzwischen ausgezogen und lebte mit seiner Freundin zusammen. Er kam immer samstags zum
Putzen. Röhrdanz konnte wirklich stolz auf seinen Sohn sein. Ohne ihn hätte er das alles niemals geschafft.
    Röhrdanz warf seine Aktentasche in die Ecke und lockerte seine Krawatte.
    »Und wo ist Mama?«
    »Bei den Weight Watchers.«
    Das war toll. Angela war unglaublich konsequent. Inzwischen hatte sie es schon wieder auf neunzig Kilo geschafft. Sie war mit Recht wahnsinnig stolz darauf. Mit ihrer neuen Frisur und den neuen Klamotten sah sie wieder richtig weiblich aus.
    Röhrdanz erinnerte sich grinsend, wie er mit Angela dieses Modegeschäft für »Starke Frauen« auf der Düsseldorfer Kö aufgesucht hatte. Seine Frau hatte die Situation mit Humor genommen, sich in Größe 48 vor dem Spiegel gedreht und so getan, als wäre sie Claudia Schiffer. Die Zeiten im Jogginganzug waren endgültig vorbei, und Röhrdanz hatte seine Frau so begehrenswert und sexy gefunden wie nie zuvor.
    Angela sprach zwar noch manchmal mühsam, aber kein Außenstehender wäre auf die Idee gekommen, dass sie so lange im Koma gelegen hatte. Auch ihr Gang war noch schleppend, aber sie kämpfte tapfer weiter. Das Leben war ihr zum zweiten Mal geschenkt worden, doch für dieses Geschenk hatten sie beide entsetzlich hart gearbeitet. Währenddessen hatten ihre Kinder weitestgehend auf eine normale Kindheit verzichten müssen. Aber das lag hinter ihnen.
    Angela wollte einfach von vorne anfangen. Sie wollte kein Mitleid und kein besonderes Interesse. Röhrdanz
liebte sie mehr denn je. Sie war nun nicht mehr das unbeschwerte Mädchen, das er einst geheiratet hatte. Nach ihrem gemeinsam errungenen Sieg über das Schicksal war sie eine gereifte, erwachsene Frau, der er den allergrößten Respekt entgegenbrachte. Die schweren Zeiten, die hinter ihnen lagen, hatten das Ehepaar so eng zusammengeschweißt, dass keine Briefmarke mehr dazwischenpasste, wie er sich seinen Kollegen gegenüber gern ausdrückte.
    Röhrdanz zog sich lächelnd im Flur die Schuhe aus.
    Im Dezember hatten sie beide ein traumhaftes, romantisches Wochenende in Hamburg verbracht, Angela hatte ihn mit zwei Karten für das Musical »Buddy Holly« überrascht, und sie hatten die unbeschwerten Tage und Nächte sehr genossen. Sie waren über den Weihnachtsmarkt gebummelt, hatten Einkäufe für die Kinder gemacht, Glühwein getrunken und das Lichtermeer der adventlich geschmückten Großstadt bestaunt. Er hatte ihr einen zweiten Ring geschenkt und sie ihm eine wunderschöne Liebesnacht. Wie lange er sich nach diesem Moment gesehnt hatte! Endlich waren sie wieder Mann und Frau gewesen. Sie hatten sich ungestüm geliebt. Nie im Leben hätte Röhrdanz zu träumen gewagt, dass es einmal wieder so schön werden könnte. Dass sie es wirklich schaffen würden, wieder eine normale, erfüllte Ehe zu führen.
    Eigentlich war alles wie früher.
    Fast.
    Sie hatten Federn gelassen. Alle. Auch die Kinder.
    Vor allem Denise. Wo steckte sie bloß?

    R öhrdanz stapfte die Treppe hinauf und öffnete nach kurzem Klopfen Denises Zimmertür.
    Wie befürchtet kam keine Antwort. Das Bett war unberührt. Angela hatte die Kissen liebevoll aufgeschüttelt und die Decke glattgezogen. Auf dem Kopfkissen lag ihr unentbehrlicher Stoffhase, inzwischen fünfzehn Jahre alt.
    Kopfschüttelnd ging er die Treppe wieder hinunter. Er fühlte sich müde und alt.
    »Die kann doch nicht einfach abhauen!«
    Er griff zum Telefon und rief bei dieser Klassenkameradin an, die er überhaupt nicht leiden konnte. Dieses freche Ding war kein guter Umgang für Denise.
    Die Mutter meldete sich nach endlosem Klingeln.
    »Gesecke!« Ihre Stimme klang heiser und

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