Der Mann, der wirklich liebte
Daraufhin fing diese fürchterlich an zu lachen, zugegebenermaßen ziemlich laut und schrill. Dieses Lachen ging dann in Weinen über und wurde ein richtiger Heulkrampf. Alle Leute blieben stehen und gafften, woraufhin sich Angela auch noch in die Hose machte. Und was tat Röhrdanz? Er lachte, um
die Situation zu entspannen. Auch Philip und Patrick schütteten sich aus vor lauter Lachen. Nur Denise hatte sich weggedreht und so getan, als ob sie nicht dazugehören würde. Als ob Angela nicht schon genug leiden musste!, dachte Röhrdanz. Jetzt musste sie auch noch mit ansehen, wie sich ihre eigene Tochter für sie schämte. Umso mehr bewunderte er seine Frau dafür, dass sie Denise anschließend in den Arm nahm und sich bei ihr entschuldigte. Zum x-ten Mal hatte er Denise erklärt, dass Nervenlähmungen dafür verantwortlich waren, wenn Angela lallte oder sich in die Hose machte. »Das hat was mit ihrem Gehirn zu tun, sie kann bestimmte Dinge einfach nicht steuern. Sie kann nichts dafür.«
Doch Denise hatte nur trotzig gesagt: »Ich kann auch nichts dafür, dass ich so eine Mama habe.«
Und gedacht hatte sie wahrscheinlich: Patrick, das Wunderkind, entbunden von einer Komapatientin. Und dann der arme Philip, der eine Ewigkeit bei der Oma wohnen musste. Alle sind irgendwie was Besonderes, nur ich, Denise, bin überhaupt nichts Besonderes.
Seufzend beschloss Röhrdanz, sich in nächster Zeit vermehrt um Denise zu kümmern.
34
» Angela, das ist die falsche Seite. Rechts ist der Beifahrersitz.« Röhrdanz schüttelte lachend den Kopf, während er den Kofferraum aufschloss und die schweren Einkäufe einlud. Der Samstagvormittag war die einzige Möglichkeit, mit Angela den Wocheneinkauf für ihren kinderreichen Haushalt zu erledigen.
Sein Rücken schmerzte, und er hatte immer häufiger Herzstechen. Aber er ignorierte beides seit Jahren. Mühsam richtete er sich auf: »Hallo? Geh auf deine Seite! Oder willst du etwa fahren?«
»Ja!« Zu seiner grenzenlosen Überraschung hielt Angela fordernd die Hand auf. Ihre Augen blitzten, und sie lachte ihn schelmisch an.
»Aber Liebes, dir ist ständig schwindelig, und du zitterst auf dem Beifahrersitz vor Angst!«
»Ich will dir etwas zeigen.« Diese Worte kamen schon sehr verständlich über ihre Lippen.
Andererseits waren inzwischen weitere vier Jahre vergangen. Vier Jahre unermüdlichen Trainings.
Die mittlerweile vierzigjährige Angela konnte wieder laufen und sprechen, wenn auch beides mühsam. Und sie hatte über zwanzig Kilo abgenommen.
»Also gut …« Verdutzt ließ Röhrdanz den Autoschlüssel in ihre ausgestreckte Hand fallen.
Angela setzte sich wie selbstverständlich ans Steuer, stellte noch etwas umständlich den Sitz richtig ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.
Eilig lief Röhrdanz um das Auto herum und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
»Und du bist dir wirklich sicher …« Hastig knallte er die Tür zu. Seine Angela. Immer wieder für eine Überraschung gut. Wahrscheinlich würde sie demnächst mit ihm Walzer tanzen.
Angela schaute in den Rückspiegel und ließ den Motor an.
»Du musst mir hier nix beweisen oder so …« Sie wollte doch nicht ernsthaft … losfahren?
Röhrdanz’ Trommelfell flirrte, und sein Herz stolperte.
Angela legte den Rückwärtsgang ein, ließ die Kupplung kommen, es ruckelte, der Motor heulte unwillig, aber dann … rollte der Wagen tatsächlich rückwärts!
»Liebling! Wie in aller Welt …?« Röhrdanz staunte.
»Ich habe heimlich Fahrstunden genommen!« Jetzt legte Angela den Vorwärtsgang ein und ließ den Wagen ganz langsam und vorsichtig vom Supermarktparklatz rollen.
»Du hast … was?!« Röhrdanz’ Handflächen waren ganz nass.
»Ich habe dem Fahrlehrer erklärt, was mit mir los ist, und dann haben wir geübt. Zwanzig Fahrstunden hat er mir gegeben …« Angela entfuhr ein triumphierendes Lachen, als sie in Röhrdanz’ verdutztes Gesicht sah. »Ich kann es wieder!«
Tatsächlich. Langsam, ganz langsam tuckerte das Familienauto nun über die Straße.
Angela konzentrierte sich so sehr, dass sie sich auf die Unterlippe biss. Hinter ihr betätigte jemand ungeduldig die Lichthupe.
Röhrdanz drehte sich nervös um: »Immer mit der Ruhe, du Idiot! Meine Frau lag jahrelang im Koma!«
Zu seiner Frau gewandt sagte er: »Lass ihn überholen, Schatz. Leg dich nicht mit ihm an!« Er wollte ihr schon ins Lenkrad greifen, als sie seine Hand wegschlug: »Ich fahre, klar?«
»Donnerwetter«, sagte
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