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Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Titel: Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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ziemlich alle Leute. Da drüben sitzen seine Freunde. Bei ihnen hält er sich oft und gerne auf.“
    Sie deutete zu dem Stammtisch hinüber, an dem Percy Coogan und seine Spießgesellen saßen. Ihre schiefen Gesichter flößten Stanley Calvin vom ersten Moment an Abscheu und Widerwillen ein. Das ist gerade der richtige Umgang für ihn, dachte er verärgert. Hier kann er noch lernen, was er noch nicht weiß. Diese Burschen werden ihn geradenwegs ins Verderben führen.
    „Wünschen Sie etwas zu trinken?“ fragte Nadja Orban lächelnd. Stanley Calvin bestellte Whisky mit Soda. Er bekam das Tablett schon nach kürzester Zeit serviert. Nadja Orban ließ sich für ein paar Minuten an seiner Seite nieder. Es war merkwürdig: Nur selten hatte sie bisher einen Gast derart ausgezeichnet. Meist bediente sie ihre Schäfchen kühl und frostig. Im Augenblick aber war sie völlig verwandelt.
    „Wie heißen Sie?“ fragte sie mit ihrer wohlklingenden Stimme. „Ich habe Sie noch nie hier gesehen.“
    „Ich bin Stanley Calvin.“
    Nadja Orban stutzte. Sie hob rasch den Blick.
    „War Lord Calvin Ihr Vater?“ fragte sie verwirrt.
    „Ja. Kannten Sie ihn etwa?“
    „Ich las in den Zeitungen von seinem unglücklichen Schicksal.“ Sie machte eine Pause. Ihre Blicke gingen ins Leere. „Ich kannte seinen Mörder“, fügte sie scheu hinzu. „Ich meine Joseph Hattan. Er verkehrte in diesem Lokal.“
    Wieder unterbrach sie ihre Worte. Ihr Gesicht war etwas blasser geworden. Um die Lippen spielte ein bitteres Lächeln.
    „Es gibt hier viele Leute“, fuhr sie fort, „die mich auch heute noch mit Joseph Hattan in Verbindung bringen. Ich soll seine Freundin gewesen sein. Man sagt, ich hätte ihn nachts oft mit nach Hause genommen. Aber ich selbst weiß nichts davon.“
    „Die Leute reden viel“, sagte Stanley Calvin zerstreut. „Man darf nicht alles so wichtig nehmen. Uebrigens soll Joseph Hattan noch am Leben sein. Wissen Sie das?“
    Nadja Orban wollte etwas sagen, aber in diesem Moment wurde sie in die Gaststube gerufen. Sie kam nicht mehr zurück. Es gab jetzt viel für sie zu tun. Eine halbe Stunde etwa blieb Stanley Calvin noch in dem trostlosen Zimmer sitzen. Dann hatte er genug für heute. Er ging zum Büfett, bezahlte seine kleine Zeche und verabschiedete sich.
    „Kommen Sie bald wieder, Sir!“ rief ihm Nadja Orban nach. „Es ist nicht immer so voll wie heute. Ein andermal habe ich sicher mehr Zeit für Sie.“
    Als Stanley Calvin auf die Straße trat, regnete es. In heulenden Böen fegte der Sturm durch das Hoxton Gate. Es war eine dunkle, tosende Nacht. Was will ich eigentlich zu Hause, grübelte Stanley Calvin. Man sollte sich von einem hübschen Mädchen wie Nadja Orban die Zeit vertreiben lassen. Bei ihr ist Wärme und Frohsinn. Zu Hause erwartet mich nichts als Kälte und Trübseligkeit. Mit dem Bus fuhr er zurück zum Green Park. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem einsamen Haus. Alle Fenster lagen dunkel. Reginald war also noch immer nicht zurückgekehrt. Das Gartentor stand einen Spalt breit offen. Der Wind warf es hin und her. Das rostige Knarren ging durch Mark und Bein. Als Stanley Calvin flüchtig den Kopf hob, sah er plötzlich einen schwankenden Lichtschein hinter einem Fenster im Oberstock. Es war der Privatsalon seines verstorbenen Vaters, Für den Bruchteil einer Sekunde zeichnete sich eine dunkle Gestalt hinter den Scheiben ab. Man konnte einen Hut mit breiter Krempe erkennen. Einen Mantel mit hochgeschlagenem Pelzkragen. Dann erlosch das Licht. Die Gestalt zerfloß in schwarzes Nichts. Stanley Calvin rieb sich die Augen. Sie waren entzündet und halb blind von Sturm und Regen. Hatte er sich getäuscht? Hatten ihm seine Nerven einen Streich gespielt? Oder war es wirklich Joseph Hattan, den er eben hinter jenem Fenster gesehen hatte? Ein anderer Mann wäre jetzt sicher umgekehrt. Vielleicht hätte er die Polizei alarmiert. Vielleicht hätte er in der Nachbarschaft Schutz und Hilfe gesucht. Nicht so Stanley Calvin. Er trug ja die Waffe bei sich. Wovor sollte er sich also fürchten? Er stieß das knarrende Tor auf und ging langsam durch den Garten. Vor dem Hausportal blieb er stehen und suchte nach seinem Schlüssel. Ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür. Stanley Calvin trat ein. Er machte Licht in der Halle. Es war noch immer so kalt wie in den einsamen Stunden des Tages. Der Kamin gähnte leer und feindselig. Gegen die Fensterscheiben drückte der  Sturm. Stanley Calvin zögerte

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