Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
Finsternis. Er sah einen plumpen Schatten unmittelbar vor sich. Einen seltsam reglosen, gespenstischen Schatten. Rasch griff Hilfsinspektor Kirk in die Manteltasche. Seine Rechte umklammerte die Pistole. Er wollte sie herausziehen, aber in diesem Augenblick traf ihn ein brutaler Handkantenschlag an die Kehle. Dann griffen zehn Finger zu, roh und gewalttätig. Sie schnürten ihm die Luft ab und ließen ihn nicht mehr los. Wie Klauen gruben sich diese Finger in seinen Hals. Die Pistole polterte auf den Fußboden nieder. Hilfsinspektor Kirk versank in einem schwarzen Strudel. Das Brausen in den Ohren verstärkte sich zu einer donnernden Melodie. Seine Gedanken verflochten sich zu einem irrsinnigen Reigen. Er kam nicht mehr zum Bewußtsein. Von der Ohnmacht zum Tod war nur ein kleiner Schritt.
*
„Was war das?“ fragte Puck Gravel mit flackernder Stimme. „Verdammt, was war das? Habt ihr es nicht gehört?“
Welch eine Frage! Natürlich hatten auch Jack Potter und Percy Coogan jeden Laut vernommen. Sie hielten die Köpfe vorgeneigt. Sie lauschten atemlos auf weitere Geräusche.Ein dumpfes Poltern dröhnte auf. Ein ersticktes Röcheln. Dann breitete sich wieder lähmende Stille aus.
„Was jetzt?“ fragte Puck Gravel in fiebernder Erregung. „Wollt ihr euch hier in dieser Bude verkriechen? Wir müssen hinunter. Je eher, desto besser.“
Die beiden anderen nickten. Sie waren der gleichen Meinung. Während Puck Gravel in gehetzter Eile seine Werkzeuge einpackte, schlichen die beiden anderen bereits zur Tür. Sie tappten auf die Treppe zu und gingen lautlos die Stufen hinunter.
„Mach Licht!“ flüsterte Jack Potter aufgeregt. „Jetzt ist schon alles egal. Mehr Pech können wir nicht mehr haben.“
Ein dunkles Etwas zeichnete sich vom Boden der Halle ab. Es war ein menschlicher Körper, der regungslos und verkrümmt zwischen Tür und Treppe lag. Jack Potter verhielt erschrocken den Schritt. Er wartete, bis ihn die anderen eingeholt hatten. „Verdammt, wer ist das?“ murmelte er leise.
Keiner wußte es. Sie schielten nervös auf das dunkle Bündel hin und wagten kaum näherzutreten. Scheu schlichen sie an die verhängnisvolle Stelle heran. Jack Potter warf einen beklommenen Blick in. das wachsbleiche Gesicht. Verstört prallte er zurück. Er hatte den dicken Hanfstrick entdeckt, der um den Hals des Toten lief.
„Es ist Hilfsinspektor Kirk“, preßte er durch die Zähne. „Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr? Wie kommt dieser Mann hierher? Und wer hat ihm auf gelauert? Wer war dieser verfluchte Mörder?“
Wieder erhielt er keine Antwort. Die beiden anderen strebten gehetzt weiter. Sie wollten sich nicht aufhalten lassen. Die Furcht hockte ihnen wie ein Gespenst im Nacken.
„Komm!“ zischte Percy Coogan unruhig. „Was wollen wir noch hier. Dem Mann können wir sowieso nicht mehr helfen. Man wird ihn morgen früh finden . . .“
„Und dann?“ fragte Jack Potter heiser. „Und was wird dann weiter geschehen? Wird nicht schwer zu erraten sein, wie? Wenn die Cops erst herausbringen, daß wir in diesem Haus waren . . .“
Percy Coogan riß ihn ungestüm mit sich fort. Sie hasteten auf die Terrassentür zu und jagten durch den Garten. Sie behielten das stürmische Tempo bei, bis sie jenseits des Green Parks angelangt waren. Dann erst legten sie eine Atempause ein.
„Wohin jetzt?“ fragte Jack Potter mutlos. „In die Sidney Bar können wir wohl niemals mehr zurück. Die Cops werden scharfe Jagd auf uns machen.“
Percy Coogan tippte sich an die Stirn. „Du bist wohl verrückt?“ knurrte er bissig. „Woher sollen die Cops wissen, daß wir in der Villa Calvin waren. Wir haben den Schrank doch noch gar nicht angefaßt. Er ist völlig unbeschädigt.“
„Mir soll’s recht sein“, seufzte Jack Potter bedrückt. „Das Ganze war ja sowieso ein Reinfall. Sagte ja immer schon, daß uns dieses Haus am Green Park noch fertigmachen wird. Wir hätten die Finger davon lassen sollen.“
„Nun erst recht“, brummte Percy Coogan wütend. „Wir kommen wieder, verlaß dich drauf. Vielleicht schon morgen Nacht.“
Sie wanderten weiter. Niedergeschlagen und deprimiert marschierten sie auf das Viertel Hoxton zu.
11
Als Stanley Calvin am nächsten Morgen von seiner kurzen Reise zurückkehrte, blickte er verwundert auf das einsame Haus am Green Park. Er sah ein paar blaue Limousinen vor dem Gartentor stehen. Er sah weiterhin zwei uniformierte Konstabler, welche die Straße nach beiden
Weitere Kostenlose Bücher