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Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Titel: Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Zimmer auf und trat ein. Ein gewohnheitsmäßiger Griff nach dem Lichtschalter, dann wurde es hell. Friedlich fiel das Licht der Hängeampel auf die Möbel und das Ruhesofa. Es stand alles an seinem alten Platz. Und doch war das Zimmer irgendwie verändert. Nadja Orban stand an der Tür und blickte verstört durch den Raum. Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Das Zimmer erschien ihr plötzlich fremd. Es war irgendwie verwandelt. Sie erinnerte sich genau, daß ein paar nebensächliche Dinge an anderen Plätzen gelegen hatten, als sie weggegangen war. Es ist, dachte sie erschreckt, während meiner Abwesenheit jemand hier gewesen. Vielleicht Joseph Hattan. Vielleicht ein anderer. Auf jeden Fall war jemand da. Sie wagte sich nicht in das Zimmer hinein. Sie blieb an der Tür. Es war ihre Rettung. Ein Schutzengel mußte sie gewarnt haben. Während sie noch durch das Zimmer blickte, entdeckte sie plötzlich, daß sich der Vorhang bewegte, der ihre Kleiderablage verbarg. Die weichen Falten des Stoffes gerieten in Bewegung. Sie knisterten, wölbten sich kurz nach vom und fielen raschelnd wieder zurück. Dieser Anblick jagte Nadja Orban alles Blut zum Herzen. Sie konnte sich kaum von der Stelle lösen. Sie war wie gelähmt.
    Er ist es, schoß es ihr jäh durch den Kopf. Ich wußte es ja. Er hat hier auf mich gelauert. Er will sich rächen. Er glaubt, daß ich ihn an die Nachtstreife verraten hätte.
    Alle diese Gedanken zuckten in Sekundenschnelle durch ihr Hirn. Ich muß weg, überlegte sie weiter. Ich darf nie mehr zurück. Es würde den Tod bedeuten. Sie wandte sich ruckartig ab, huschte auf den Korridor hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. In irrsinniger Hast stürmte sie die Treppe hinunter. Als sie auf der Straße stand, schloß sie die Haustür zweimal ab. Auf diese Weise hoffte sie, einen geringen Vorsprung zu gewinnen.
    Sie lief in die Richtung des Hoxton Gate. Schon nach wenigen Minuten tauchte die Sidney Bar vor ihr auf. Es war ihre alte Heimat. Sie wußte im Moment keine andere Bleibe. In atemloser Erschöpfung taumelte sie über die Schwelle. Ihre Augen waren halb blind vor Angst und Grauen. Erst die gewohnte Umgebung brachte sie allmählich wieder zur Besinnung. Sie ging müde am Büfett vorüber und suchte nach einem freien Platz. Sie war ja heute nicht im Dienst. Sie war ein Gast wie jeder andere. Mit scheuen Blicken tastete sie die Tische ab. Sie war schon fast am hinteren Ende des Lokals angelangt, da entdeckte sie plötzlich Stanley Calvin, der sie lächelnd anblickte. Es schien fast, als hätte er den ganzen Abend auf sie gewartet. Nadja Orban zögerte keine Sekunde. Sie tat, als würde sie diesen Mann schon ein halbes Leben kennen. Sie zog ihren Mantel aus, legte ihre Handtasche auf den Tisch und ließ sich kurz nachher neben Stanley Calvin nieder.
    „Wie nett, daß Sie da sind“, sagte sie ehrlich. „Ich wüßte keinen Menschen, bei dem ich in dieser Stunde lieber säße. Ich hatte eben ein schreckliches Erlebnis. Ich bin noch immer völlig durcheinander.“
    „Erzählen Sie“, sagte Stanley Calvin mit seiner dunklen Stimme. „Vielleicht kann ich Ihnen helfen.“
    Es war ganz seltsam. Nadja Orban fühlte zu ihrem Erstaunen, wie sie sofort ruhiger wurde. Sie fühlte sich behütet und geborgen in der Nahe dieses Mannes. Es strömte eine wohltuende Kraft und Sicherheit von ihm aus.
    „Ich kann nicht mehr in jenes Zimmer zurück“, schloß sie stammelnd ihren Bericht. „Verstehen Sie das? Ich kann einfach nicht.“
    Stanley Calvin nickte. Und ob er es verstand. Er wußte aus eigener Erfahrung, daß dieses mordende Gespenst, das dem Galgen entronnen war, alle Menschen zum Irrsinn brachte. „Ich möchte Ihnen gern helfen“, sagte er halblaut. „Wenn Sie es nicht falsch verstehen, werde ich Sie schon heute nacht in meinem Haus unterbringen. Es sind einige Zimmer frei.“
    Nadja Orban sah ihn an. Sie blickte lange in sein männliches Gesicht. Sie versuchte, seine Gedanken zu erforschen. „Jedem anderen Mann“, sagte sie schließlich, „würde ich mit nein antworten. Aber zu Ihnen habe ich von allem Anfang an Vertrauen. Ich glaube, ich bin in Ihrem Haus gut aufgehoben.“
    „Bestimmt“, sagte Stanley Calvin ernst. „Sie sind dort sicherer als irgendwo. Ich werde immer in Ihrer Nähe sein.“
    Nadja Orban bestellte sich eine Limonade und trank sie hastig aus. „Wenn es Ihnen recht ist“, sagte sie dann, „so möchte ich jetzt gehen. Ich bin wirklich müde.“
    Stanley Calvin brach

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