Der Mann, der's wert ist
fühlte mich wie ein
glückliches Schulkind. Davon hatte ich in der Schulzeit immer geträumt, als
andere schon Freunde hatten, die sie abholten. Wer abgeholt wird, ist was
Besseres. Spät war dieser Traum für mich wahr geworden, dafür um so schöner.
Keiner der Bubis damals hatte einen so tollen Wagen besessen. Und wie
ehrfurchtsvoll die Männer aus dem Kochkurs den BMW taxierten!
»Tschüs«, sagte ich lachend und
stieg ein. Ich küßte Benedikt: »Am Sonntag mach ich für uns alle Chili con
Carne.«
40. Kapitel
Nora war von meinem Vorschlag,
daß ich am Sonntag kochen würde, durchaus angetan. Sie tat, als hätte ich mich
bisher in keiner Weise an der Hausarbeit beteiligt. Mercedes würde ebenfalls
mit uns mittagessen.
Schon früh am Sonntag morgen
begann ich mit dem Zwiebelschneiden. Ich war so aufgeregt, aber wie durch ein
Wunder klappte alles perfekt. Rechtzeitig erfüllte der köstliche Geruch des
Knoblauchbrots die Küche. Und der Obstsalat stand mit zitronebeträufelten,
strahlend weißen Apfelschnitzen und makellosen Bananenscheibchen im
Kühlschrank. Ich hatte ihn mit Walnußhälften und Apfelsinenschnitzen sehr
dekorativ in Dessertschälchen arrangiert.
Nur Mercedes kam eine halbe
Stunde zu spät. »Meinem Herzallerliebsten fiel der Abschied so schwer«, sagte
sie und klapperte mit ihren metallicblauen Lidern, »er wollte nicht aus dem
Bett.«
Sie trug einen Hosenanzug,
türkisgrün mit Goldfäden durchwirkt und einem plastischen Rosenmuster. Am Hintern
war er zu eng, und vorn hatte er ein Dutzend Perlenknöpfchen. Und damit wollte
sie Chili con Carne essen! Selbstverständlich sei der Anzug aus einer
Nobelboutique und nicht reduziert gewesen. »Ratet mal, womit ich ihn bezahlt
habe?« sagte Mercedes und drehte an einem Perlenknöpfchen.
Ich dachte, sie würde sagen
>mit einem Küßchen<, aber es kam noch schlimmer...
»Mit seiner Goldenen
Kreditkarte«.
»Wie schön, Kind« sagte Nora.
»Weil er gestern keine Zeit für
mich hatte, hat er mir am Morgen seine Goldene Kreditkarte auf mein Kopfkissen
gelegt. Ich soll mir einen schönen Tag in den Boutiquen machen. Und weil Strafe
sein muß, habe ich ordentlich zugeschlagen.«
»Bei deinem exquisiten
Geschmack wußte er, daß das teuer wird«, assistierte Nora.
Madame Mercedes hatte nicht nur
den Hosenanzug gekauft, auch ein Top aus dem gleichen Stoff und ein mit
gleichem Stoff bezogenes Handtäschchen. »Bei mir muß eben alles
zusammenpassen«, sagte sie und sah mich mitleidig an, als würde mein blauer
Rollkragenpulli nicht zu meinen Jeans passen.
Ich sagte nur »wunderschön« und
trug mein Chili con Carne auf.
Nora zeigte mit offenem Mund
auf die Schüssel, auf die sorgfältig arrangierten Zwiebelringe und
Tomatenscheiben und rief: »Sind das unsere Tomaten?«
»Nein, die kommen aus Spanien.«
Hätte ich gesagt, die Tomaten
seien vom Mars gekommen, um hier um politisches Asyl nachzusuchen, Nora hätte
nicht fassungsloser auf diese Tomaten zeigen können. In ihrer Stimme waren
Tränen, als sie rief: »Hast du das gehört, Benedikt! Und wir haben in der
Speisekammer eingemachte Tomaten! Und das alles von deinem Geld!«
»Das wird Viola eben nicht
gewußt haben«, sagte Benedikt.
»Die spanischen soll man
sowieso nicht kaufen«, sagte Mercedes, »die schmecken nicht. Mein
Herzallerliebster hat neulich in einem Restaurant einen Salat aus spanischen
Tomaten zurückgehen lassen.« Gnädigerweise probierte sie dann aber doch. Und es
schien ihr zu schmecken. Jedenfalls spuckte sie die Tomaten nicht sofort wieder
aus. »Und wie wird das gemacht?« fragte sie.
Ich holte mein Rezept aus der
Küche und las es vor. Ich stockte, als ich las: »Eine kleine Dose Tomatensaft
dazugeben«, aber es war zu spät.
»Hast du das gehört, Benedikt?
Sie hat Tomatensaft gekauft! Und das alles...«
»Ich hab das Essen von meinem
Geld gekauft«, sagte ich vor Wut tomatenrot.
»Na und?« sagte Benedikt,
»schmeckt doch toll!«
»Bei dieser Verschwendung ist
es ja kein Wunder, daß ich die Miete stunden muß«, sagte Mercedes. »Besteht
überhaupt die Chance, daß ich irgendwann mein Geld bekomme?«
Benedikt sagte: »Reg dich ab,
ich gebe dir einen Scheck.«
»Ach, so geht das«, sagte
Mercedes.
Ich ging in die Küche, nahm den
Obstsalat aus dem Kühlschrank und schüttete ihn ins Klo. Ich wollte mir nicht
noch mal anhören, wie ich Benedikts Geld verschwende. Ich holte aus der
Speisekammer eines der uralten Einmachgläser mit zerfallenen
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