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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Nein
nicht ganz ausgesprochen, da wurde ich knallrot. Vorher hatte ich diesen Mann
nicht gesehen, aber jetzt sah ich ihn direkt von vorn. Er hatte so eine Art
Frisur mit einem dunkelbraunen, linealgeraden Pony bis zur halben Stirnhöhe. So
ein Pony, mit dem sogar Albert Einstein nicht intelligenter als Frankensteins
Monster aussehen würde. Das Schlimmste aber waren seine Augenbrauen. Eigentlich
hatte er nur eine Augenbraue. Noch nie hatte ich jemand gesehen, dessen
Augenbrauen so total zusammengewachsen waren, seine Augenbraue war über der
Nase sogar breiter als außen. Und dann seine Bärte: Über der Lippe seltsame
Borsten wie ein abrasierter und nachgewachsener Hitler-Bart, seitlich längere
Flusen, wie aus einem Flokatiteppich rausgerissen und ins Gesicht geklebt, am
Kinn entlang von Ohr zu Ohr eine Bartfransenkante.
    Er stand auf, er war schlank,
mittelgroß, wirkte aber völlig ungelenk, weil sein scheußliches braunes Hemd zu
eng war, seine gräßlichen, grünlichen Jeans zu weit. Wenn man ihn länger ansah,
bekam man Angst, seine Häßlichkeit könnte ansteckend sein. Er sah aus wie
Frankensteins Enkel.
    »Rufus heiße ich«, sagte er.
    Rufus! Auch das noch! Und an
seiner Stimme erkannte ich: Das war der Typ, der nicht mal gewußt hatte, wie
man Zwiebelringe macht! Ich murmelte meinen Namen, sah dabei auf den Boden, um ihn
nicht ansehen zu müssen, und sagte: »Ich frag mal, wo wir mitkochen sollen.«
    Ich ging zu Carola. »Wir sind
übrig, in welche Gruppe sollen wir?«
    »Ihr beiden macht zusammen
Chili con Carne, da drüben.« Carola zeigte auf die letzte freie Kochzeile und
ging zu den andern, die lachend Zwiebeln schnitten.
    Frustriert folgte ich Rufus an
die Kochzeile. Ich haßte mich dafür, daß ich wieder mal abgewartet hatte,
während andere ihre Wünsche herausbrüllten oder wie Tanja selbst entschieden,
mit wem sie kochten. Für mich war übriggeblieben, was kein anderer wollte.
Sicher, ich war nur hergekommen, um kochen zu lernen, aber mußte es
ausgerechnet in der Gesellschaft von Frankensteins Enkel sein?! Ich war so
frustriert, daß ich dachte, die Tränen in meinen Augen kämen nicht vom
Zwiebelschneiden.
    »Alle herhören«, rief Carola,
»Zwiebeln werden nur glasig, wenn man sie in wenig Fett auf mittlerer
Temperatur anbrät! Wenn ihr zuviel Fett nehmt, werden sie matschig.«
    »Ach deshalb«, sagte einer aus
Tanjas Gruppe.
    Wir waren gewarnt. Wir
erhitzten exakt einen Eßlöffel Öl auf mittlerer Temperatur. Rufus rührte.
»Willst du auch mal rühren?« fragte er nach einer Weile.
    »Ja.«
    Von den andern Kochzeilen tönte
Lachen und Geschrei: »Zwei Zehen Knoblauch, nicht zwei Knollen!«
    »Viel zu wenig Tabasco!«,
»Hilfe, unser Fleisch brennt an!« Dann zischte Wasser in eine Pfanne.
    »Alle herhören«, rief Carola,
»wenn ihr Hackfleisch anbratet und Wasser dazukippt, damit es nicht anbrennt,
dann brät es gar nicht, sondern bleibt blaß und matschig. Also, kein Wasser
rein, nur wild umrühren.«
    »Warum sagst du das nicht
vorher?« rief Tanja.
    »Weil man durch Erfahrung mehr
lernt.«
    »So ein Quatsch«, sagte Tanja,
»jetzt haben wir matschige Zwiebeln und matschiges Fleisch.«
    Ich rührte das Hackfleisch, bis
mir der Arm weh tat.
    Dann rührte Frankensteins
Enkel. »Sieh mal, da hängt ein Zwiebelring am Kochlöffel!« rief er plötzlich.
Tatsächlich, da hing ein kleiner Zwiebelring am Stiel über der breiten Kelle
des Kochlöffels. Rufus konnte es kaum fassen: »Wie ist das möglich? Wie ist er
da rübergekommen? Der Zwiebelring ist doch viel kleiner als die Kelle vom
Kochlöffel!« Er betrachtete den Zwiebelring verzückt, als wäre er der
Heiligenschein eines Engels, der in unserem Chili con Carne notgelandet war.
Der Zwiebelring gab ihm viele Rätsel auf: Hatte einer von uns mit dem
Kochlöffel den Zwiebelring zufällig so erwischt, daß er wie ein Gummiring über
die breite Kelle gerutscht und am Stiel wieder zu seiner ursprünglichen Größe
geschrumpft war? Oder war er als roher Zwiebelring bedeutend größer gewesen,
war leicht über die Kelle geglitten und erst im Lauf des Bratprozesses
zusammengeschrumpft? Mit vorsichtigen Fingern versuchte Frankensteins Enkel den
Ring über die Kelle zurückzuschieben. Es ging nicht.
    »Reiß ihn ab«, sagte ich. Wenn
wir nicht weiterrührten, würde das Hackfleisch anbrennen.
    »Diesen perfekten Zwiebelring
zerstören? Niemals!« Er drehte den Kochlöffel um und ließ den Ring am Stiel
entlang in die Pfanne zurückrutschen.
    Das

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