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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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für
eine Übernachtung in dem billigen Zimmer, dann ist das überhaupt kein Verlust.
Das Zimmer ist zu billig für Einmal-Übernachtungen.« Wunderbar. Hier mußte ich
keine Angst mehr haben vor Madame Mercedes’ Herzallerliebsten. Ich freute mich
schon auf das Märchen, das uns Mercedes morgen abend erzählen würde, warum ihr
Herzallerliebster leider doch nicht kommen konnte. »Darf ich dich heute abend
zum Essen einladen?« fragte ich Rufus spontan. »Ich ruf Benedikt an und sag,
daß ich später komme, weil wir was zu feiern haben.«
    »Tanja hat mich schon zum Essen
eingeladen. Und heute wollen wir nicht gestört werden.«
    »Verstehe.«
    Rufus lächelte, zog die
Augenbraue hoch. »Schade«, sagte er.
     
     
     

55. Kapitel
     
    Bis Freitagabend kam keine
Absage von Mercedes. Also fuhren wir hin. Nora saß vorn bei Benedikt und fragte
ihn mehrmals, ob sie den Herzallerliebsten von Medi vielleicht doch kenne? Aber
Medi hätte ja so viele Verehrer, daß sie längst den Überblick verloren habe.
Benedikt sagte mehrmals: »Warten wir ab.«
    Ich war sicher, daß wir den
Herrn nicht zu Gesicht bekommen würden, und hatte deshalb keinerlei
Anstrengungen unternommen, mich zu verkleiden, und war nicht beim Friseur
gewesen. Die Ausgabe lohnte nicht, nur um Madame Mercedes’ Wohnung zu
besichtigen. Das war das einzige, worauf ich gespannt war, schließlich hatte
sie behauptet, ihre Wohnung sei ähnlich eingerichtet wie unsere renovierten
Zimmer, nur selbstverständlich eleganter und edler. Das wollte ich sehen.
    Sie wohnte in einem häßlichen
Neubau mit häßlichem Treppenhaus. Neben ihr stand ein Mann in der Wohnungstür,
groß, schlank, glatte dichte, dunkle Haare, etwa fünfundvierzig Jahre, mit
einem wirklich netten Lachen — mehr als nett sogar, mit einem schick
gestreiften Hemd und einem guten Anzug. Mercedes trug ein blutrotes Kleid, zehn
Zentimeter hohe, altbackene Stöckelschuhe, grasgrünen Lidschatten und lachte:
»So, das ist der Thomas Lehmann, mein Herzallerliebster.« Ich kam aus dem
Staunen nicht heraus, als er Nora begrüßte: »Liebe Frau Windrich, ich freue mich
so, daß ich Sie endlich kennenlernen darf.«
    Als der Strahlemann Benedikt
die Hand schüttelte, sagte er: »Sie sind der Star-Architekt.« Und zu mir: »Und
Sie sind die Freundin, Viola, sehr erfreut.«
    Ich sagte, daß ich auch sehr
erfreut sei, aber ich war vor allem sehr verblüfft.
    Er führte uns ins Wohnzimmer.
Alles war beige-braun-rot gesprenkelt, sollte modern sein, war aber nur klobig
und finnisch. Vor einem dreisitzigen Sofa mit gesprenkeltem Bezug stand ein
runder Tisch mit Kupferplatte, in die merkwürdige Muster eingehämmert waren,
wie auf einem modernen Grabstein. Auf dem gesprenkelten Teppichboden lagen zwei
grobgeknüpfte Teppiche, jeder kaum größer als ein Handtuch, der eine erinnerte
an van Goghs Sonnenblumen, das andere Teppichmuster bestand aus Kreisen in
diversen Rotschattierungen — vielleicht Sonnenuntergänge symbolisierend oder
faulende Tomaten. An den Wänden sehr abstrakte Kunstdrucke, nicht auf
Spanplatten, sondern unter Glas, und tatsächlich der Beuys-Kalender, den ich
ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Das Kalenderblatt vom März zeigte einen
bräunlichen Fleck, von einer rötlichen Linie umrandet: Der Beuys paßte gut zu
dem finnischen Mist.
    Für mein Gefühl waren mein
Zimmer und das Wohnzimmer von Mercedes sich so ähnlich wie ein Séparée im
Schloß von Versailles und ein Nebenraum eines Wienerwald-Brathendllokals. Aber
über die Wohnung von Mercedes wunderte ich mich keineswegs. Ich wunderte mich
nur über ihren Strahlemann.
    »Hol uns bitte was zu knabbern,
damit ich nicht ständig an deinem süßen Ohr knabbern muß«, sagte er zu
Mercedes. Kichernd brachte sie auf einem Tablett Glasschüsselchen mit
Kartoffelchips, Oliven, Erdnüssen, Salzgebäck und Käsegebäck. Alles
Fernsehfutter aus der Packung.
    »Ach wie lecker«, sagte ihr
Herzallerliebster, »ich habe Mercedes gebeten, heute abend nur einen leichten
Snack zu servieren. Wir sind etwas erschöpft von unserer Reise.«
    »Wart ihr zusammen in
Frankreich?« fragte ich.
    »Natürlich«, sagte Mercedes,
»und wir haben geschlemmt. Nur vom Feinsten.«
    »Die französische Küche ist
einzigartig auf der Welt«, sagte der Herzallerliebste und entkorkte einen
Rotwein.
    »Echt französischer Rotwein«,
sagte Nora andächtig, »finden Sie nicht auch, daß Medi einen sehr exklusiven
Geschmack hat?«
    »Oh ja, den hat sie, liebe Frau
Windrich«,

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