Der Mann, der's wert ist
sagte Mercedes’ Herzallerliebster mit herzallerliebstem Lächeln,
»deshalb hat sie auch mich gewählt.«
Mercedes setzte sich neben ihn
auf das Finnlandsofa, und er nahm ihre Hand. »Ich bin glücklich, daß wir es
geschafft haben, im Familienkreis zusammenzusitzen«, sagte er und küßte
Mercedes auf die Wange.
Ich war platt. Benedikt war
auch platt. Sogar Nora. »Medilein«, rief sie, »ich bekomme fast Angst, daß ich
alt und vergeßlich werde, bitte erzähl noch mal, seit wann kennst du Herrn
Lehmann? Ist das der Herr...«
»Bitte vorsichtig, Mutter«,
sagte Mercedes und lachte, wie ich sie noch nie hatte lachen hören, »du darfst
Thomas nicht mit seinen Vorgängern verwechseln. Das ist Thomas, und alle andern
vorher sind vorbei und vergessen.«
»Ich habe solches Glück
gehabt«, sagte Thomas glücklich.
»Also, seit wann kennt ihr
euch?« fragte Benedikt.
Mercedes kicherte wieder: »Erst
seit dem ersten Arbeitstag in diesem Jahr. Da fing Thomas bei uns an.«
»Aber Medi, nicht mal deiner
Mutter hast du davon erzählt!«
»Ich mußte erst sicher sein,
daß er der Richtige ist«, kicherte Mercedes.
»Sofort als ich sie sah, wußte
ich, daß sie die Richtige ist«, sagte der Herzallerliebste, »aber ich bin sehr
froh, daß Mercedes so diskret ist.«
»Was machen Sie beruflich?«
fragte Benedikt.
»Ich bin Rechtsanwalt.«
»Rechtsanwalt«, rief Nora
begeistert, »das paßt so gut zu dir!«
»Leider ist mein Fachgebiet
nicht aufregend, ich bin im internationalen Markenartikelrecht tätig.«
»Sind Sie Rechtsanwalt für
Desinfektionsmittel-Markenartikel?« entfuhr es mir. Zugegeben, die Frage war
saublöd, aber ich fragte mich verzweifelt, ob der Mann aus Zimmer 4 tatsächlich
von Mercedes gesprochen hatte. Oder war alles nur eine Verwechslung?
»Thomas meinte vorher, es wäre
viel schöner, wenn wir uns duzen«, sagte Mercedes. »Wenn ihr ihn alle siezt,
fang ich aus Versehen auch noch an, ihn zu siezen. Wir sind doch hier in
Familie.«
»Prost, Thomas, ich freu mich
wahnsinnig für euch zwei«, rief Nora;
»Ich freu mich auch
wahnsinnig«, sagte Thomas.
Mir tat er leid. Die Freude
würde bei näherer Bekanntschaft mit Nora bald vergehen. Er schien wirklich nett
zu sein. Aber er hatte meine Frage nicht beantwortet — weil Mercedes wie
üblich, wenn ich was sagte, dazwischengefunkt war. Aber die Zeiten waren
vorbei, daß ich mich von Mercedes abwürgen ließ. »Machst du Markenartikelrecht
für Desinfektionsmittel?« fragte ich wieder.
»Warum interessierst du dich so
für Desinfektionsmittel?« fragte er lachend zurück.
Natürlich konnte ich das
unmöglich sagen. »War nur so ein Beispiel.«
»Bei jedem internationalen
Markenartikel können juristische Probleme auftauchen. In anderen Ländern gibt
es beispielsweise andere Verpackungsvorschriften, andere Vorschriften für
Beipackzettel und Gebrauchsanweisungen. Und manche Konservierungsmittel sind in
einem Land erlaubt und im andern nicht, das muß man alles wissen... aber man
darf niemals schöne Frauen mit Konservierungsmittelgesetzen langweilen.«
»Du arbeitest also bei Medi in
der Firma?« fragte Nora.
»Ja. Einerseits ist das
wunderschön. Andererseits ist gerade das der einzige Schatten auf unserem Glück
— wir sind gezwungen, unsere Liebe geheimzuhalten. Keine Liebespaare in der
Firma, und noch schlimmer — keine Ehepaare! Das ist bei uns Firmenphilosophie.
Hart, aber auch verständlich, wenn man eine Vertrauensstellung wie Medi innehat
und ihre Verantwortung. Und ich als Rechtsanwalt habe ebenfalls Zugang zu
vertraulichen Informationen... würde die Geschäftsleitung erfahren, daß eine
Verbindung zwischen uns besteht... würde man mich fristlos entlassen.«
»Oder mich«, sagte Mercedes.
»Auf dich können sie nicht
verzichten«, sagte Thomas.
»Ich versteh das gut«, sagte
Benedikt. »Es gibt unweigerlich Ärger, wenn ein Paar in einer Firma
zusammenarbeitet.«
Warum sagte Benedikt das?
»Eine weitverbreitete Ansicht«,
sagte Thomas. »Würde uns jetzt jemand von der Firma zusammen sehen, wäre die
Zukunft von uns beiden gefährdet. Ich mußte mich vorher wie ein Dieb ins Haus
schleichen.«
Alles nur wegen der Firma?
Dieser ideale Mann mußte irgendeinen Makel haben, sonst wäre er niemals mit
Mercedes zusammen. Irgendwie war ich wütend, an irgendeinem Punkt log Mercedes
garantiert wieder. »Bist du verheiratet?« fragte ich kühn. Schlagartig hörte er
auf zu lächeln: »Ich bin seit einigen Jahren Witwer. Meine
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