Der Mann, der's wert ist
Nachkommen
wünschen, da wäre ihr Stamm schnell ausgestorben.«
»Stimmt. Und was ist an der
Saurier-Theorie falsch?«
»Zuerst bleibt wie bei allen
andern Theorien die Frage, warum dann nicht auch die Krokodile, die
Schildkröten und die Echsen ausgestorben sind.«
»Ich hab gehört, daß ein
gigantischer Meteor eingeschlagen ist, der mit einem Schlag...«, ich unterbrach
mich, weil Rufus den Kopf schüttelte, was ich gehört hatte, wußte er längst.
»Die Leute suchen immer den
einen Faktor, der alles erklären soll. Deshalb sind Große-Katastrophen-Theorien
so beliebt. Mit einem Knall aus dem All ist das ganze Problem erklärt. Aber es
stimmt nicht. Die Kakerlaken zum Beispiel haben den Knall aus dem All überlebt!
Warum die? Warum die Ammoniten nicht? Ich sage immer, mit dem Aussterben der
Dinosaurier ist es wie mit dem Sterben einer Liebe — ein einzelner Grund reicht
nie.« Das Telefon läutete. Ich fand es sehr bemerkenswert, daß es ausgerechnet
Tanja war, die jetzt anrief.
»Grüß dich, Tanja«, rief Rufus
erfreut. Und dann: »Ach wie schade. Geht es dir schlecht?«
Anscheinend ging es ihr nicht
so schlecht, denn Rufus sagte gleich darauf: »Viola ist gerade bei mir und
fotografiert meine Wohnung.«
Darauf hatte Tanja viel zu
sagen. Ich plazierte in der Zwischenzeit mein Stativ. »Soll ich dich
mitfotografieren?« fragte ich Rufus, der Tanja lauschte.
»Ja«, sagte Rufus und lächelte
Telefonhörer am Ohr fürs Foto. Rührend, wie er mit seiner Augenbraue und seinen
Bärten vor dem Saurierschrank stand. Wie ein lebendes Fossil.
Tanja quatschte, Rufus nickte.
Ich fotografierte den Rest des Zimmers. Abgesehen von dem Saurierschrank war
alles von einer unbestimmten Geschmacklosigkeit, die keinen Rückschluß auf den
Bewohner zuließ. Es war eher ein Arbeitszimmer als ein Wohnzimmer. An einer
Wand zwei Regale mit alten Aktenordnern, vermutlich die Hotelunterlagen der letzten
Jahrzehnte. Auf dem pastellgrünen Teppich ein dunkelgrünes Sofa und zwei graue
Sessel, ein schwarzer Tisch, alles bestenfalls frühes Ikea. Rufus beendete sein
Gespräch mit Tanja. »Also, melde dich wieder«, sagte er zum Abschied.
»Tanja hat keine Lust, heute
kochen zu gehen, sie sagt, ihr sei schon schlecht.«
Würde sie Rufus lieben, dachte
ich, würde sie trotzdem in den Kochkurs gehen, nur um ihn zu sehen. Und würde
Rufus Tanja lieben, würde er nicht in den Kochkurs gehen, sondern sie besuchen.
Aber vielleicht war ihre Beziehung noch nicht so weit? Weil Rufus nichts mehr
zu dem Telefongespräch sagte, sagte ich auch nichts. Vielleicht war bei den
beiden auch alles ganz anders.
Ich mußte noch die Küche
fotografieren. In der Mitte stand ein Gestell zum Wäschetrocknen. Mit orange
Wäscheklammern waren rosa-bräunliche und gräulich-rosa Beutel aufgehängt.
Wäscht er als Geschäftsführer die Putzlappen und Staubsaugerbeutel? Ich war
leicht peinlich berührt von dieser unerwarteten Sparsamkeit. Beim zweiten Blick
traf mich der Schlag: Es waren keine Staubsaugerbeutel, es waren Unterhosen!
Nur mit Mühe gelang es mir, so zu tun, als wären staubsaugerbeutelähnliche
Unterhosen die natürlichste Sache der Welt. Ich wollte sie mitfotografieren,
sonst würde mir keiner glauben, was manche Männer für Unterhosen tragen. Aber
Rufus sagte, hätte er gewußt, daß ich heute seine Wohnung fotografiere, hätte
er aufgeräumt, und stellte den Wäschetrockner leider vor die Küchentür. Sonst
schien er keine Probleme mit seinen Unterhosen zu haben!
Als wir gingen, sah ich im Flur
mit Grausen auf die Unterhosen. Ja, sie waren sauber, aber stell dir vor, du
gehst mit einem Mann ins Bett, und dann steht er vor dir, nur mit einem
Staubsaugerbeutel bekleidet!
57. Kapitel
Im Kochkurs machten wir
Gulasch, Pellkartoffeln und Krautsalat. Felix machte allein Spaghetti mit einer
komplizierten Tomatensahnekräutersauce. Das wollte er üben, hatte er letztesmal
Carola gesagt, denn seine Tochter fände die Spaghettisaucen ihrer Mutter
besser.
Weil wir nur zu siebt waren,
kochte Rufus mit Michael und Witzchen-Wolfram, ich mit Winfried und Wolfgang.
Wie ein Weltmeister schnitt ich unsere Zwiebeln in Würfel — mit dem Rest des
Gulaschs hatte ich wenig zu tun: Wolfgang übernahm alles. Winfried beschäftigte
sich damit, den geschnittenen Speck in der Pfanne umzurühren und die
Gulaschschnetzel anzubraten, dann ging er mit Michael raus zum Rauchen. Ich
durfte mich daher auch um die Pellkartoffeln kümmern. Weil ich
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