Der Mann, der's wert ist
ihr
sagt. Wie ich Bärbel kenne, wird sie meckern.«
»Und was machst du dann?«
»Dann meckere ich zurück.«
»Du kannst hier machen, was du
willst, stimmt’s?«
»Leider nicht. Aber wenn ich mal
ein Problem gelöst habe, dann soll es bitte auch gelöst bleiben.«
58. Kapitel
»Die Chefin hat angerufen«,
berichtete Rufus am Donnerstag, »morgen kommt ein wichtiger Gast, Frau Masur, eine
alte Freundin der Chefin, sie soll das beste Zimmer bekommen, also Zimmer 9.«
Das Riesenzimmer mit dem
meisten Möbelmüll, mit dem Fernseher in der Vitrine. »Gib ihr lieber die 18 in
der dritten Etage, das Zimmer ist schöner.« In der dritten standen weniger
Möbel rum, der Hedderich-Clan lud seinen Möbelmüll bevorzugt auf den unteren
Etagen ab, weil das weniger Arbeit machte. »Wenn du meinst, dann für Frau Masur
Zimmer 18.«
Frau Masur war ähnlich alt wie
Frau Schnappensiep, ähnlich teuer angezogen, mit ähnlich korrekter blonder
Dauerwellfrisur. Zufällig war ich unten, als sie kam. »Hallo, hallo, Herr
Berger«, rief sie, »hat Ihnen Ihre...«
»Meine Chefin hat mir
ausdrücklich befohlen, Ihnen unser bestes Zimmer zu reservieren. Herzlich
willkommen, Frau Masur.«
»Und was ist mit dem Mann?«
»Welcher Mann?«
»Ich brauch heute abend einen
Mann.«
»Davon ist mir nichts bekannt.«
»Da haben wir den Salat!« rief
Frau Masur. »Hat Bärbel keine Nachricht hinterlassen?«
»Nein.«
»Ich könnte mich totärgern, da
kann ich gleich wieder nach Hause fahren!«
»Bitte nicht, Frau Masur! Frau
Schnappensiep würde mich sofort rauswerfen, wenn ausgerechnet Sie nicht...«
»Machen Sie keine blöden
Witze«, sagte Frau Masur und zündete sich wütend eine Zigarette an. »Ich werde
Bärbel sofort anrufen.«
»Guten Tag«, sagte ich und
stellte ihr einen Aschenbecher auf die Rezeptionstheke.
Rufus sagte zu mir: »Geh mal
hoch und sieh nach, ob die Heizung in Zimmer 18 an ist.«
»Ist aufgedreht.«
»Dann sehen Sie was anderes
nach«, sagte Frau Masur wütend. »Ja, bitte«, sagte Rufus.
Aha, ich hatte kapiert.
Kaum hatte ich mich umgedreht,
sagte sie zu Rufus: »Also ich muß Ihnen jetzt was im Vertrauen sagen, was ich
schon Bärbel gesagt habe... Bärbel kennt doch alle ehrenwerten Männer der
Stadt... das kann doch kein Problem sein...«
»Ich muß Ihnen auch was im
Vertrauen sagen«, sagte Rufus. Dann war ich außer Hörweite.
Erst eine halbe Stunde später
brachte Rufus ihr Gepäck ins Zimmer. Wenigstens war sie nicht wütend
weggefahren.
Kurz nach fünf, ich kam gerade aus
dem Abstellraum neben der Küche, wo mein Mantel und meine persönlichen Sachen
sind, auch die Illustrierten, die ich in Papierkörben finde und im Bus lese,
ich bringe sie immer am nächsten Morgen zurück — erstens hätte sich Nora
gewundert, woher ich so viele Illustrierte mit teilweise ausgefüllten
Kreuzworträtseln habe, zweitens wollte ich sie nicht in den Genuß meiner
Gratislektüre kommen lassen — also, ich wollte gerade von der Küche zu Rufus an
die Rezeption gehen, als ein Mann das Hotel betrat. Zuerst dachte ich, ich sehe
nicht recht, dann war ich sicher, daß ich richtig sah, und flüsterte: »Das darf
nicht wahr sein!«
Es war aber wahr: Der Mann, der
das Hotel betreten hatte, war der neue Herzallerliebste von Mercedes.
Warum kamen sämtliche Herzallerliebsten
von Mercedes ausgerechnet ins Hotel Harmonie? Was hatte der charmante Thomas
hier zu suchen?
Er redete leise mit Rufus.
Ich schlich von der Küchentür
in die Ecke zwischen Kontor und Herrn Hedderichs Verschlag, dort konnte er mich
nicht sehen. »Bitte nehmen Sie Platz«, hörte ich Rufus sagen.
Ich duckte mich hinter einen
Sessel, da hörte ich Rufus und Thomas näher kommen. Ich sprang auf, drückte die
Tür zu Herrn Hedderichs Verschlag auf, huschte hinein und hielt die Luft an,
damit sie mich nicht atmen hörten.
»Hier können Sie sich ungestört
unterhalten«, sagte Rufus, »ich benachrichtige Frau Masur.«
Starr stand ich, wagte es
nicht, mich auf einen der Stühle zu setzen, sie waren zu Reparaturzwecken hier
und würden bestimmt zusammenbrechen. Das hätte noch gefehlt: Mercedes’
charmanten Freund entdeckt mich als lauschende Putzfrau im Kofferverschlag auf
einem zusammengekrachten Stuhl!
Nach einer Ewigkeit klapperte
Frau Masur auf Stöckelschuhen an. »Guten Tag«, sagte sie.
»Guten Tag, gnädige Frau.«
»Bitte nehmen Sie wieder
Platz«, sagte Frau Masur mit einer Stimme, die keinen Widerspruch gewohnt
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