Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
Vom Netzwerk:
Kitschig sind nur die Gefühle, an die man nicht
glaubt.«
    »Also gut«, sagte Frau Masur,
»ich find es zwar etwas dick aufgetragen, aber die Leute wollen belogen werden.
Ich muß nur aufpassen, daß ich nicht zuviel lache, wenn Sie das erzählen.«
    »Lachen Sie, soviel Sie
können«, sagte Thomas, »Verliebte lachen immer. Wenn Sie damit einverstanden
sind, besprechen wir nun das Finanzielle.«
    »Einverstanden.«
    »Pro Abend, inklusive dieser
Vorbesprechung, beträgt mein Honorar 400 Mark. Diesen Betrag geben Sie mir
bitte vorher. Nach Mitternacht kämen pro angefangene Stunde 100 Mark dazu.«
    »Einverstanden.«
    »Sollte es notwendig sein, weil
uns Verwandte beobachten, daß ich Taxi oder sonstige Kleinigkeiten bezahle,
rechnen wir das hinterher ab. Da wir aus Diskretionsgründen keine Rechnungen
ausstellen, darf ich Sie bitten, bar zu bezahlen.«
    »In Ordnung.«
    »Danke. Nun wollen wir weiter
an unseren Rollen arbeiten. Sagen Sie mir bitte einen männlichen Vornamen, der
Ihnen besonders vertraut ist.«
    »Ein männlicher Vorname,
besonders vertraut?« Sie dachte kurz nach. »Dieter.«
    »Ausgezeichnet, ich heiße
Dieter Lehmann.«
    Genau, dachte ich völlig
benommen von diesen Enthüllungen und vom Luftanhalten — Lehmann heißt er — aber
Thomas, oder?
    »Dieter Lehmann«, sagte Frau
Masur.
    »Ein Künstlername
selbstverständlich. In meiner Branche sind unauffällige Künstlernamen von
Vorteil. Das schützt vor Nachforschungen, vor lästigen Fragen, ob man mit
diesem oder jenem verwandt ist, es gibt so viele Lehmanns. Und für alle Fälle
ein Tip: Ich habe einen Zwillingsbruder. Sollte jemand darauf beharren, mich
bereits kennengelernt zu haben, denken Sie an meinen Zwillingsbruder. Jetzt
aber, meine Liebe, sollten wir sofort anfangen, uns zu duzen. Wie heißt du?«
    »Maria Masur.« Sie kicherte
ziemlich schrill.
    »Ich liebe dein Lachen, Maria«,
sagte Herr Lehmann zärtlich. Ja, es hörte sich sogar durch die Holzpaneelenwand
zärtlich an. Es lief mir ein Schauer über die Haut, als er sagte: »Dein liebes
Lachen hat mir wieder Lebensmut gegeben.«
    »Sie machen das großartig«,
lachte Frau Masur, »aber Sie dürfen mich nicht dauernd zum Lachen bringen.«
    »Lachen darfst du immer, Maria,
aber niemals darfst du mich siezen. Das wäre ein schrecklicher Fehler.«
    »Mein Onkel ist fünfundsiebzig,
stinkreich und Kirchenvorstand, der findet Lachen nicht lustig.«
    »Liebe Maria«, sagte Thomas,
Dieter Lehmann, »als ich vor Jahren Nathan den Weisen spielte, weinte sogar ein
Kritiker. Da dürfte es kein Problem sein, deinen Onkel von meiner Seriosität zu
überzeugen. Und ich habe den Wilhelm Teil gegeben, die Rolle des trefflichen
Familienoberhauptes ist mir ins Blut übergegangen.« Plötzlich sagte Thomas, Dieter
Lehmann mit total anderer Stimme, viel bedeutungsvoller: »Die armen Kindlein,
die unschuldigen, das treue Weib muß ich vor deiner Wut beschützen, Landvogt!
Da, als ich den Bogenstrang anzog — als mir die Hand erzitterte — als du mit
grausam teuflischer Lust mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegen — als
ohnmächtig ich rang vor dir...«
    »Sie sind Schauspieler?«
    »Maria... du!« sagte Thomas,
Dieter Lehmann zärtlich. »Entschuldigung. Du bist Schauspieler?«
    »Wir alle sind Schauspieler.«
    »Und warum spielst... du...
jetzt nicht mehr auf der Bühne?«
    »Ich stehe immer auf der Bühne.
Wie Shakespeare sagt: Die ganze Welt ist eine Bühne.«
    »Sie haben mich überzeugt«,
sagte Frau Masur.
    »Maria... du hast mich wieder gesiezt.
Ich schlage vor, wir machen jetzt eine kleine Übung, um deine Hemmschwelle
abzubauen. Die Übung ist etwas brutal, aber sehr wirksam. Bist du dazu bereit,
Maria?«
    »Ja.«
    »Nimm meine Hand... ja... sieh
mir in die Augen... ja... und jetzt sage... ich liebe dich, Dieter.«
    Frau Masur kicherte hysterisch:
»Dieter, ich...« Der Rest ging unter in Gekicher.
    »Ich liebe dich, Maria«, sagte
Dieter Lehmann, »jetzt du.«
    Gekicher. »Ich liebe dich, ich
lach mich kaputt!« Gekicher.
    »Ich liebe dich, Maria«, sagte
Herr Lehmann betörend sanft.
    »Ich liebe dich, Dieter«, sagte
Frau Masur, und jetzt klang sie fast ebenso sanft und kicherte nicht mehr.
    »Jetzt hast du auch mich
überzeugt«, sagte Dieter Lehmann, »um wieviel Uhr darf ich dich wiedersehen?«
    »Hol mich Punkt acht hier ab.«
    Sie standen auf. Ich hörte sie
zum Fahrstuhl gehen.
    »Ich freu mich auf dich,
Maria«, sagte er zum Abschied.
    »Ich kann es kaum erwarten,
dich

Weitere Kostenlose Bücher