Der Mann, der's wert ist
Entwürfe als kostenlose Vorleistung meines
Büros.«
Frau Schnappensiep klappte die
Mappe auf. Sie betrachtete eine Seite mit Zahlenkolonnen, blätterte um, lachte
laut: »Rat mal Rufus, was das kosten soll!«
Rufus riet nicht.
»3,3 Millionen!!!«
Auch mir blieb die Luft weg.
»Ich muß jetzt dringend nach
Hause, den Schnappi zum Karatekurs fahren.« Sie gab Rufus die Mappe und stand
auf. »Du kannst dir das in aller Ruhe zu Gemüte führen. Falls es dich
interessiert.«
Ich blieb sitzen. »Man kann
bestimmt einiges ändern, an der Einrichtung läßt sich viel sparen«, versuchte
ich sie zu beruhigen.
»Vielen lieben Dank. Ich habe
keine Lust mehr, mich länger mit diesem Hotel herumzuärgern.« Sie reichte
Benedikt die Hand. »Vielen lieben Dank für Ihre Bemühungen, die Renovierung
kommt für uns nicht in Frage.«
Zu Rufus sagte sie: »Ich bin im
Kontor, über die Abrechnungen müssen wir jetzt gleich im Detail sprechen.« Sie
zupfte ihren Spitzenkragen in die Höhe, als sei er während Benedikts
Präsentation in sich zusammengefallen, nickte mir zu, »Auf Wiedersehn«, und
rauschte ab.
»Ich muß auch unbedingt sofort
losfahren, ich muß auf ein Seminar«, sagte Benedikt ebenso förmlich zu Rufus.
Rufus fragte: »Können Sie die
Pläne vielleicht einige Tage hierlassen? Ich würde sie gerne noch mal ansehen.«
»Bitte sehr. Auf Wiedersehn.«
Am Boden zerstört begleitete
ich Benedikt zum Auto. Eine Taube hatten mitten aufs Autodach gekackt. Wütend äffte
Benedikt Frau Schnappensiep nach: »Wie soll ich das sauber bekommen? Da komm
ich ja nicht mit dem Staubsauger ran!«
»Was machen wir denn jetzt?«
»Nichts. Ich habe keine Lust,
mich länger darüber zu unterhalten, wie mein Entwurf putzfrauengerecht werden
könnte.«
»Du könntest eine billigere
Lösung machen.«
»Ich mache keine billigen
Lösungen.«
»Mir zuliebe!« Benedikt
reagierte nicht. »Was wird Onkel Georg sagen, wenn wir den Auftrag nicht
bekommen haben?«
»Dein Onkel Georg ist doch
daran schuld, daß ich keine billigen Entwürfe machen kann. Er verdient 10
Prozent der Bausumme. Je höher die Kosten, desto höher seine Profite. Billige
Projekte lohnen sich nicht für ihn. Bei meinem Gehalt kann ich meine Zeit nicht
an Miniprojekte verplempern.«
»Aber diese Zackenwände und
diese Säule, das ist so aufwendig, und Frau Schnappensiep gefällt es nicht, das
muß doch nicht sein.«
»Das muß sein. Ich brauch die
Säule wegen der Statik. Das hat mir der Wöltje bei meinem Altersheim-Entwurf
gesagt. Ich glaube, das war damals bei meiner Diplomarbeit falsch, da geh ich
kein Risiko mehr ein.«
»Aber bei dem Hotel war vorher
die Statik auch in Ordnung!«
»Verstehst du denn nicht — ich
hab das ganze Haus entkernt!« Obwohl ich es nicht wollte, fing ich an zu
heulen.
»Viola, tu nicht so, als wäre
das die Katastrophe. Die haben kein Geld. Das wird nichts. Das gibt nichts als
Ärger!«
»Dann werde ich allein einen
billigen Entwurf machen!«
»Wenn du mir Konkurrenz machen
willst, bitte. Aber für die Schnappensiep bist du doch nur die Putzfrau. Wo man
angefangen hat als Putzfrau zu arbeiten, da bleibt man immer Putzfrau. So ist
das Berufsleben.«
»Das glaube ich nicht.«
»Und mit Sicherheit wird dich
der Faber nie mehr einstellen, wenn du ihm jetzt beweisen willst, daß du das Projekt
auch ohne ihn machen kannst. Außerdem kannst du das nicht allein, sobald
tragende Wände verändert werden, brauchst du einen Architekten mit
Bauvorlagerecht.«
»Aber was soll ich denn jetzt
machen?«
»Viola, ich fahr jetzt los, um
nach einem Vierteljahrhundert meinen Vater wiederzusehen. Ich kann im Moment an
nichts anderes denken. Ich muß Medi abholen. Gib mir einen Kuß zum Abschied.«
»Nur wenn du sagst, was ich
jetzt machen soll«, heulte ich. »Vielleicht solltest du ganz was anderes
machen. Vielleicht kannst du mit deiner Freundin Elisabeth zusammenarbeiten.«
»Aber ich wohn doch jetzt
hier!«
»Bis ich zurückkomme, wird die
Welt wieder ganz anders aussehen. Bestimmt. Leb wohl, Viola. Mach’s gut.«
»Was soll ich gut machen?«
Ich schlich zurück ins Hotel,
in die Küche, zu meinen Schrank. Ich zog mein schwarzes Kleid aus, das ich mit
einem Gürtel nach oben geschoppt hatte, damit Frau Schnappensiep nicht die
altmodische Länge sah, und damit sie nicht den Trick mit dem Gürtel merkte,
trug ich meine wasserblaue Lacoste-Strickjacke drüber, hätte aber notfalls im
Sitzen die Jacke aufknöpfen oder sogar
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