Der Mann, der's wert ist
Prozente gegeben«, erklärte
Rufus.
»Was für Prozente?«
»Viele Hotels geben Taxifahrern
zehn Prozent vom Zimmerpreis, wenn sie Gäste bringen. Ich will das künftig auch
machen, das ist die beste Werbung, es spricht sich schnell unter den
Taxifahrern rum, in welchem Hotel sie Prozente bekommen. Die ausgebuchten
Hotels machen das natürlich nicht, aber wir sind ja kein ausgebuchtes Hotel.«
»Aha«, wieder was gelernt über
die Geheimnisse eines Hotels. »Soll ich Frau Schnappensiep zuerst fragen, ob
ich neue Entwürfe machen soll?«
»Mach die Entwürfe. Bis du
fertig bist, hat sie sich vielleicht wieder abgeregt.«
Und wenn nicht? Das war mein
Risiko. Genau wie ein großes Büro, mußte auch ich einen kostenlosen Entwurf
liefern. Aber ich war optimistisch!
Einer der Dauergäste gab den
Schlüssel ab, er fuhr übers Wochenende nach Hause, wollte die Wochenrechnung
bezahlen und wissen, ob Post gekommen war, Rufus mußte sich um ihn kümmern.
»Heute abend nach dem Kochkurs reden wir weiter«, rief er mir zu.
Beschwingt wie seit langem
nicht, machte ich mich an die Arbeit. Walkwoman war heute auch wieder da,
präzise wie ein Roboter putzte sie Fenster und war an keinem Gespräch
interessiert: Ich konnte ihr nichts bieten, was ihr Walkman nicht besser
geboten hätte. Meinetwegen.
Als ich Zimmer 18 putzte, sah
ich außen an der Fensterscheibe den ersten Marienkäfer des Jahres hochkrabbeln.
Marienkäfer bringen Glück. Ich wollte die Punkte auf seinem Rücken sehen und
dachte mir: So viele Punkte, wie dieser Marienkäfer hat, so viele Monate wird
es bis zu unserer Hochzeit dauern. Zugegeben: Als ich das dachte, wußte ich,
daß Marienkäfer nie besonders viele Punkte haben.
Ich öffnete das Fenster, sah
dem Marienkäfer auf den Rücken: Es war ein negativer Marienkäfer—ein schwarzer
Käfer mit zwei roten Punkten. Viel seltener als ein Marienkäfer - warum
ausgerechnet...
Wenn ein roter Käfer mit
schwarzen Punkten Glück bringt, bringt dann ein schwarzer Käfer mit roten
Punkten Unglück? Zwei Punkte... Was würde in zwei Monaten sein? Was ist das
Gegenteil von einer Hochzeit?
»Ich bin nicht abergläubisch«,
sagte ich laut zu mir und schloß das Fenster. »Bald wird alles wunderbar.«
66. Kapitel
Schweinebraten, Klöße aus rohen
Kartoffeln, Semmelklöße und Weinschaumcreme standen auf dem Programm. Die drei
Apotheker rissen sich sofort den Braten unter die Nägel. Aber Felix wollte auch
Braten machen, denn wenn er beim nächsten Kindergeburtstag Braten servieren
würde, wäre das der Hit. Winfried war bereit, mit Felix zu tauschen, und begab
sich zu Rufus und Tanja, die Semmelknödel und Weinschaumcreme, besser bekannt
als Zabaione, herstellen sollten.
Blieben Michael und ich für die
rohen Kartoffelklöße. Erwartungsgemäß half mir Michael kein bißchen beim
Waschen, Augenausschneiden und Schälen der Kartoffeln, sondern klärte Winfried
über die Vorteile diverser Spesenritterrestaurants der Umgebung auf. Winfried
schilderte dafür die Nachteile anderer, mindestens ebenso lächerlich teurer
Lokalitäten. Winfried fand es saublöd, daß in den vornehmen Rohkostsalaten oft
richtige Blumen sind, Kapuzinerkresse und Gänseblümchen, aber seinem Freund
Wolfgang würde das erschreckenderweise nichts ausmachen, der behaupte, ein
Gänseblümchen schmecke nicht anders als ein dickes Salatblatt. Michael sagte,
auch er würde die Gänseblümchen mitessen. Winfried fand das barbarisch.
Trotzdem folgte er dem Barbaren Michael auf den Schulhof, um dort den
Erfahrungsaustausch ungestört vom Schaben meines Kartoffelmessers fortzusetzen.
Nach dem Schälen mußte ich die
Kartoffeln durch eine altertümliche Reibe reiben. Direkt in eine Schlüssel mit
kaltem Wasser, damit die Schnipsel nicht braun werden. Es war eine elende
Arbeit, und ich befürchtete ständig, meine Fingernägel mit abzuhobeln. Wenn
alle Kartoffeln gerieben sind, soll man das Wasser aus der Schüssel abgießen
und die Kartoffeln in einem Küchenhandtuch ausdrücken. Ich hatte gerade den
Kartoffelmatsch auf ein Küchenhandtuch gehäuft, da kam Wolfgang: »Kann ich dir
helfen? Der Braten ist im Ofen, ich hab im Augenblick nichts zu tun.« Dankbar
nahm ich sein Angebot an. Routiniert strich er den Kartoffelmatsch auf dem
Handtuch zu einer Wurst, wickelte das Tuch drumrum, drehte die Enden des
Handtuchs immer fester zusammen, bis Kartoffelwasser durchs Tuch lief. Er
würgte die Handtuchwurst, bis kein Wasser mehr rauskam. Dann
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