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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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sagte Benedikt.
    Frau Schnappensiep machte
trotzdem ein unzufriedenes Gesicht: »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber das
alles hat das Flair einer Kaserne.«
    Benedikt lachte sie an, öffnete
seinen teuren Manager-Lederkoffer und überreichte ihr ein Foto, eingerahmt von
einem Passepartout aus schwarzem Hochglanzpapier: »Da ich weiß, daß es oft
schwierig ist, abstrakte Ideen zu visualisieren, habe ich Ihnen das
mitgebracht, damit Sie sich einen ganz exakten Eindruck verschaffen können.«
    Ich sah an Frau Schnappensieps
Rüschenkragen vorbei auf das Foto. Es war eine aufgeklebte Seite aus einer
Luxus-Architekturzeitschrift. Ein Zimmer von sehr unbestimmter Größe, am
Fenster sehr üppig drapierte Vorhänge mit einem Empire-Muschelmuster — ein
Stoff, der pro Meter mindestens 400 Mark kostet. Ein Bettüberwurf aus dem
gleichen Stoff, aber hier war das Muschelmuster auf einer wattierten Unterlage
nachgesteppt, dadurch wirkte jede Muschel plastisch und der Bettüberwurf
unbezahlbar. In der Ecke ein klotziger Designersessel aus schwarzem Leder,
daneben — sehr raffiniert der Kontrast — ein zierlicher schwarzlackierter
antiker Stuhl mit einer goldenen Muschel als Rückenlehne und ein
schwarzlackierter antiker Tisch, dessen Fuß ein geschnitzter, vergoldeter
Delphin war! Solche Möbel sieht man sonst nur im Museum. An den Wänden eine
dezent glänzende Seidentapete, die winzige kleine Muscheln zeigte, als Abschluß
eine goldene Stuckleiste mit etwas größeren Muscheln. Und dann hing da noch ein
impressionistisches Gemälde, das die Leichtigkeit der Farbgebung auf seine
Weise unterstrich. Mit spezieller Bildbeleuchtung. Nobel, super, tadellos.
    »So könnte es bei Ihnen
aussehen«, sagte Benedikt.
    »Das gefällt mir«, rief Frau
Schnappensiep.
    Wem hätte das nicht gefallen?!
Ich lächelte Benedikt zu. Ja, aber woher sollte man für dreißig Zimmer
museumswürdige Möbel nehmen? Wenigstens schien Frau Schnappensiep keinerlei
Ahnung zu haben, was so was kostet. »Also weiter im Programm«, sagte sie
gnädig.
    »Und hier der Clou!« Benedikt
entrollte den nächsten Plan. Zuerst glaubte ich, er hätte aus Versehen eine
Zeichnung seines Altersheim-Entwurfs mitgebracht, erst als ich las
    NEUGESTALTUNG FOYER
    ENTWURF BENEDIKT M. WINDR1CH
    traute ich meinen Ohren.
    »So sieht es aus, wenn Sie
künftig das Hotel betreten. Ich habe Ihnen eine Zeichnung gemacht, so
realistisch wie möglich.« Ich sah einen Halbkreis aus Zacken, die auf mich
gerichtet waren. Es war eine teils raumhohe, teils nur halbhohe Wand, die das
Foyer durchzog. Die Wand begann beim linken Foyerfenster und führte wie ein
gekrümmter Blitz zur Mitte. Da war ein schmaler Durchgang, dann eine riesige
Säule, dann wieder ein schmaler Durchgang, dann wieder ein Viertelkreis
Zackenwand zum rechten Foyerfenster. Es erinnerte mich an die Kulisse eines
sozialkritischen Theaterstücks, das wir in der Schulzeit sehen mußten. Vor dem
gekrümmten Blitz rechts wiederholte sich die Zackenstruktur in Tischhöhe — da
kapierte ich, was das sein könnte: »Ist das die Rezeption?« Sofort war mir
peinlich, daß ich das gefragt hatte, nun hatte Frau Schnappensiep
wahrscheinlich gemerkt, daß ich die Entwürfe zum erstenmal sah. Aber sie sagte
nur: »Hinter dieser Rezeption haben zwanzig Leute Platz. Hast du keine Angst,
daß du dich da einsam fühlst, Rufus?«
    Rufus sagte nichts.
    »Diese aus Dreiecken aufgebaute
Zackenstruktur ist das Leitthema der Gestaltung«, erklärte Benedikt, ganz
Star-Architekt.
    »Können Sie mir erklären, wohin
dieses Leitthema leiten soll?«
    »Diese Struktur soll sich in der
Außenfassade wiederholen. Ich habe hierzu noch keinen konkreten Entwurf
gemacht, weil zuerst geklärt werden muß, ob in dem — Sie verzeihen, gnädige
Frau — eher kleinbürgerlichen Umfeld Ihres Hotels eine derart moderne
Fassadenstruktur baubehördlich genehmigt wird.«
    »Mich interessiert nicht, was
die Baubehörde genehmigt, ich will keine Betonzacken.«
    »Das sind keine Betonzacken,
das ist weißer Marmor.«
    »Marmor!« staunte Frau
Schnappensiep.
    »Selbstverständlich Marmor. Ich
zeige Ihnen jetzt einen Aufsichtsplan vom Foyer, da wird die Gestaltung
transparenter.« Er schob ihr einen Plan mit Aufsicht vom Erdgeschoß zu.
    Sie zeigte mit starrem
Zeigefinger auf die Zackenlinie. »Kommt man überhaupt mit dem Staubsauger in
diese Ecken? Und was ist auf der Rückseite dieser Zackenwand?«
    »Die Küche.«
    »Die Küche?! Da soll sich in
allen Ecken das

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