Der Mann, der's wert ist
Praktiken
öffentlich machen«, meinte Peter.
»Bewirb dich lieber um die
Stelle«, sagte Benedikt.
»Nein, das macht Peter nicht.«
Elisabeth sagte es sehr entschieden.
Die Generation der Gourmets
samt Annabell und Solveig kam aus dem Garten und nahm die Plätze ein.
Herr Engelhardt sagte: »Das ist
das Geheimnis eines optimalen Menügenusses — jeder Gang sättigt so lange, wie
das Warten auf den nächsten dauert.«
Solveig saß nun auf Annabells
Schoß. Annabell nahm Solveigs Zeigefinger und zeigte damit auf Niko: »Das ist
der Niko. Hast du Lust, mit dem Niko zu spielen?«
»Ich will nicht«, sagte
Solveig, »ich will Wein.«
»Au, da kommt ja unser
Kinderschnitzel«, rief Annabell mit ihrer Ich-bin-eine-fröhliche-Mutter-Stimme,
nahm Solveigs kleine Hände in ihre Hände und klatschte sie zusammen.
Das Kinderschnitzel war ein
Rehrückenfilet mit Pfefferjus und Pfifferlingen, dazu das leckerste, samtigste
Kartoffelgratin. »Ich will Pommes frites«, sagte Solveig.
»Komm, Solveig, wir gehen in
die Küche, da hab ich was extra Leckeres für dich«, rief meine Mutter und stand
auf.
»Iß zuerst«, sagte Frau
Engelhardt beleidigt, »die Sauce vom Rehrückenfilet schmeckt kalt nicht.«
Solveig war schon in die Küche
gerannt. Meine Mutter rannte mit ihrem Teller hinterher.
»Ist schon Scheiße«, sagte
Annabell, »die Erwachsenen schütten sich mit Alkohol zu, klar, daß ein Kind
auch Wein will.«
Dem Rehrücken folgten die
Lobeshymnen auf Frau Engelhardt. »Wartet ab, bist ihr das Dessert erlebt habt«,
sagte sie, »es gibt ein Sorbet mit Weinbergpfirsichen und Kaffeecreme mit
Waldhimbeeren, wartet ab.«
»Ich muß den Waldhimbeermund
der Köchin küssen«, rief Herr Engelhardt, ging um den Tisch und küßte seine
Frau.
Frau Engelhardt küßte ihren
Mann zurück: »Aber vorher gibt es Käse.«
»Sollten wir nicht zuerst ein
Eau de vie trinken? Wir haben zur Auswahl ein Eau de vie de framboise und ein
Eau de vie de pêche. Wer trinkt was am liebsten?« fragte mein Vater.
»Ich trink am liebsten
mehrere«, rief Niko, »egal, was es ist!« Ein Verdauungsschnäpschen war es,
Himbeergeist oder Pfirsichgeist. Benedikt durfte den Getränkekellner spielen,
mit weißem Handtuch über dem angewinkelten Arm.
Herr Engelhardt wollte den Käse
selbst servieren, er rollte auf dem Servierwagen eine Platte herein mit
verschiedenen Käsesorten und Butterscheiben, in Herzform ausgestochen. »Viola,
was darf ich Ihnen geben? Kuhkäse oder Ziegenkäse? Kräftig oder mild? Was
bevorzugen Sie?«
Ich habe keine Ahnung von Käse.
Aber ich wollte mich nicht durch eine falsche Auswahl blamieren: »Ich esse
alles, was Sie mir empfehlen.«
»Sehr gut.« Herr Engelhardt
legte routiniert sechs Happen Käse ringsum auf den Rand meines Tellers. Dann
deutete er auf das Käsestück oben am Tellerrand: »Bitte essen Sie diesen Käse
zuerst und dann im Uhrzeigersinn rundum.«
»Warum?«
»Der Käse, der oben, bildlich
gesprochen, bei der Zwölf liegt, ist der mildeste. Die andern sind im
Uhrzeigersinn fortlaufend würziger.« Er zeigte auf den Käsehappen, der,
bildlich gesprochen, bei zehn Uhr lag: »Dieser ist ein sehr kräftiger, in Asche
gereifter Ziegenkäse, den essen Sie zuletzt, sonst verderben Sie sich den
Geschmack.«
Wie raffiniert! Nach dem Käse
tranken wir noch ein Eau de vie, um nicht zu platzen.
Und erst das Dessert: weiße
Kaffeecreme mit Himbeeren und bitterer Schokoladensauce. Und außerdem eine
Platte mit zwölf halben gratinierten Pfirsichen und Pfirsichsorbet. Solveig war
so begeistert, daß sie nur noch »Ich! Ich! Ich!« rief.
Meine Mutter servierte Kaffee.
Niko brauchte einen weiteren
Verdauungsschnaps. »Kaum zu glauben, wie fünf Schnäpse einen Menschen verändern
können«, rief er und starrte Benedikts Mutter an.
»Aber Herr Niko, ich hab keine
fünf Schnäpse getrunken«, rief sie empört, »Benedikt kann das bestätigen!«
»Sie nicht«, lachte Niko
dröhnend, »aber ich! Hahaha! Benedikt kann das bestätigen!«
»Jetzt ist es Zeit für die
Riesenüberraschung!« Mein Vater stand auf. Meine Mutter stand auch auf. »Ich
möchte zuvor nur ein paar Worte sagen«, sagte mein Vater. Meine Mutter setzte
sich wieder. »Liebe Viola, lieber Benedikt«, er machte eine Pause, »mir fehlen
fast die Worte — ich kann nicht sagen, nun, da ihr beide in ein gemeinsames
Leben hinausgeht — ihr steht beide bereits gemeinsam im Leben... und auch in
die Fremde zieht ihr nicht, im Gegenteil, beide
Weitere Kostenlose Bücher