Der Mann, der's wert ist
Staubsauger vergessen. Ich tastete den
Staubsack ab. Er war voll, seit Wochen nicht geleert. Dann würde ich ihn wieder
leeren, auf einmal mehr sollte es nicht ankommen. Es sollte alles ganz, ganz
korrekt sein. Ich schüttelte den Staub, die Papierschnipsel, die Haare von
Nora, Benedikt und mir, den ganzen Dreck aus dem Staubsack über die Lacksoße.
Nun war es sogar ein klein bißchen staubiger als damals, Aber nur vorübergehend
— bis Mercedes ihr Zimmer kontrollieren würde, wäre der Staub längst mit dem
Lack verklebt. Nun war wirklich alles erledigt.
Wunschgemäß versteckte ich den
Hausschüssel unter Benedikts alter Pudelmütze an der Garderobe, zog wunschgemäß
die Tür kräftig hinter mir zu. Und in der Sekunde, als ich der Tür den Rücken
gekehrt hatte, da war es wieder überall: Jedes Auto hupte, jedes Haus jubelte,
am hellblauen Himmel zerknallten drei rosarote Feuerwerksterne. Das Spiel war
zu Ende. Das Wunder war geschehen.
79. Kapitel
Rufus empfängt mich, als wäre ich
eine Leiche, die von ihrer eigenen Beerdigung zurückkommt. Erschüttert
betrachtet er meine lackverdreckten Jeans, mein lackverdrecktes einst rosa
Sweatshirt.
»Kann ich zwei Wochen Urlaub
haben?« frage ich.
Erschüttert fragt Rufus:
»Warum?«
»Damit ich Frau Schnappensiep
neue Entwürfe präsentieren kann. Ich werde Entwürfe machen, da wird sie nicht
mehr nein sagen können.«
»Meinst du?«
»Ich weiß es.«
Rufus sagt, wenn ich samstags
und sonntags, wenn Walkwoman frei hat, putzen kann, wäre das zu machen. »Und sonst?«
fragt er.
»Damit wäre alles geklärt.«
Mehr ist nicht mehr zu klären. Meine Habseligkeiten stehen noch in der
Hotelhalle. Rufus meint, in Zimmer 11 sei das nicht unterzubringen. Ich soll
eins der großen Zimmer nehmen. Ich habe die Wahl zwischen Zimmer 8 mit
Segelschiff-Tapete, dem bleichgrünen Zimmer 9, wo überall die Farbe abblättert
und der Fernseher in der Vitrine steht, und Zimmer 1 mit grauen Chrysanthemen
auf beigem Grund. Ich nehme die Chrysanthemen. Die Regalbretter und
Kronleuchterkisten bringen wir in einen Kellerraum, bei Rufus bin ich sicher,
daß er nicht versuchen wird, sich hinterrücks meinen Kronleuchter unter den
Nagel zu reißen. Meinen Paravent stelle ich im Zimmer auf. Das dezimiert die
sichtbaren Chrysanthemen.
Am Sonntag besorge ich mir aus
dem Frühstücksnebenraum zwei Tische, ich brauche eine große Arbeitsfläche.
Montag gehe ich in einen Fotokopierladen und vergrößere alle Fotos von der
Hotelfassade. Das ist das wichtigste, Frau Schnappensiep wird es am meisten
beeindrucken, wie ich ihren braunen Klotz in ein weiß-dunkelblau-goldenes
Anwesen verwandele. Ich übermale die Fotokopien, trage genau ein, wo auf den
blauen Balkongittern goldene Akzente gesetzt werden sollen. Wenn nur die
Rosetten zwischen den Blattornamenten vergoldet werden, macht das viel her, es
ergibt eine goldene Tupfenstruktur, und das kann nicht allzu teuer sein. Ich
klebe die kolorierten Fotokopien auf Kartons, daneben Farbproben, anhand derer
ich Frau Schnappensiep erklären werde, daß das Dunkelblau auch schön aussehen
wird, wenn die Gitter mal verdreckt sind. In diesem Punkt will ich bei Frau
Schnappensiep kein Risiko eingehen.
Auf den alten Plänen ist zu
sehen, wie die Fenster im Erdgeschoß früher waren: höher und oben gerundet,
nicht so breit. Was würde es kosten, Fenster im alten Stil einzubauen?
Und diese Neonkästen in den
Fenstern, auf denen Hotel Harmonie steht, müssen weg. Goldene Messingbuchstaben
über der Tür, von einem Strahler angeleuchtet —was würde das kosten? Ich mache
Leistungsverzeichnisse für die Handwerker. Jeder Posten muß genau beschrieben
werden, nur so kann ich zuverlässige Kostenvoranschläge bekommen. Ich bespreche
alles mit Rufus. Einer der teuersten Posten wird der Installateur, keine Frage.
Sollte man doch Zimmer ohne Bad lassen?
Wir sehen gemeinsam die Pläne
durch. Wir haben pro Etage zwei Zimmer mit alten geräumigen Bädern: Zimmer 1
und 2, die können bleiben, wie sie sind. Zimmer 3 hat eine häßliche,
freistehende Duschkabine mit Plastikschiebetüren und eine Kloecke nach Art
einer Gefängniszelle. Zimmer 4 und 5 haben nur Waschbecken. Zimmer 6 wieder
eine Plastikduschkabine und eine etwas bessere Toilette. Zimmer 7 nur ein
Waschbecken. Das große Zimmer 8 hat auch nur ein Waschbecken, aber die Gäste,
die in diesem Zimmer wohnen, bekommen immer den Schlüssel zum zweiten
Etagenbad. Jede Etage hat zwei
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