Der Mann, der's wert ist
ihre Bilder
auszustellen. Geplant ist eine permanente Verkaufsausstellung im Foyer. Die
Hotelleitung wird die Bilder zu den von den Künstlerinnen gewünschten Preisen
provisionsfrei verkaufen oder wird kaufinteressierte Besucherinnen des Hotels
direkt an die Künstlerinnen verweisen. Interessierte Künstlerinnen bitte
zwischen 9 Uhr und 20 Uhr mit Arbeitsproben vorbeikommen. Hotel Harmonie...
»Warum hast du das mit
>Innen< geschrieben?« fragte ich.
»Weil Michael sagte, daß es die
Setzerin vom Metropolen-Magazin so wünscht. Und wenn man es nicht selbst so
schreibt, verwendet sie nur die weibliche Form.«
Aha. Ich mag das >Innen<
nicht besonders, vielleicht weil es bei >Innenarchitektinnen< irgendwie
albern wirkt. Aber egal. »Wann erscheint das nächste Metropolen-Magazin?«
»Leider erst in zwei Wochen.«
* * *
Dafür erscheint schon drei Tage
später, am Sonntagmorgen, völlig unangemeldet, mit Ehegatten in Anzug und
Krawatte, Frau Schnappensiep. Ich stehe gerade auf einer Leiter im Foyer,
kratze Lackspuren von den Fensterscheiben und sehe entsprechend aus. Frau Schnappensiep
sieht blendend aus. Sie ist fast so braun, wie es das Hotel vor ihrem Urlaub
noch war, und sie ist von der unverhofften Schönheit ihres weißen Hotels mit
den goldenen Rosetten auf den blaulackierten Balkonen so überwältigt, daß ihr
vor Rührung die Wimperntusche verschmiert.
Herr Dr. Schnappensiep ist ein
sehr würdiger Mann und bedeutend älter als sie, er behandelt mich, obwohl ich
verdreckte Jeans und ein leider noch verdreckteres T-Shirt anhabe, wie die
Star-Innenarchitektin. »Meine Frau sagte mir bereits, daß Sie sehr sorgfältig
arbeiten, ich kann das nur bestätigen«, sagt er, nachdem er lange die
Marmorwände bestaunt hat.
Frau Schnappensiep findet das
Foyer »überwältigend«. Die breite, trotzdem schlichte Kunststoffstuckkante
ringsum, die die Deckenbeleuchtung verbergen soll, erkennt sie nicht als neu,
sondern sagt: »Phantastisch, genau wie früher!« Ich reiße ein Stück
Plastikplane vom Boden, und obwohl der Terrazzo noch nicht poliert ist, sagt
sie: »Sogar noch herrlicher als früher.« Als wir die Folien abmachen, um die
marmorierte Rezeption zu zeigen, tut sie, als würde sie vor Begeisterung in
Ohnmacht fallen. Sie lobt die Glasplatte auf der Rezeptionstheke: »Nichts wirkt
sauberer als eine saubere Glasplatte!«
Rufus telefoniert Frau
Hedderich herbei, die sich freut, Herrn Schnappensiep mal wieder zu sehen. Herr
Schnappensiep erkundigt sich hochinteressiert nach dem Gesundheitszustand des
Hedderich-Clans, Frau Hedderich jammert erwartungsgemäß. Dann sagt sie: »Ganz
ehrlich, so wie es jetzt hier ist, so war es früher nicht.«
»Wie meinen Sie das, Frau
Hedderich?« fragt Herr Dr. Schnappensiep.
»So schön war’s nicht!« ruft
Frau Hedderich.
Jetzt will Frau Schnappensiep
sofort die fertigen Zimmer sehen. Sie findet tatsächlich für jedes Zimmer ein
anderes Jubelwort: »Entzückend!«, »Exquisit!«, »Schick!«, »Umwerfend«, »Absolut
entzückend!«, »Hinreißend!«, »Superb!«, »Absolut umwerfend!« Die Manager-Zimmer
— ohne Saurierbilder, die sind noch beim Rahmen, findet sie »Perfekt!«,
»Markant!«, »Super!«, »Klassisch!«, »Raffiniert!«
Die Bäder, Duschen und
Toiletten mit den schwarzweiß gewürfelten Fußböden und den halbhoch
weißgekachelten Wänden mit schmaler schwarzer Kachelleiste als Abschluß findet
sie »luxuriös«. Und die Tatsache, daß die Spiegel mindestens dreimal so breit
sind wie die Waschbecken »absolut luxuriös«.
»Die Spiegel sind so breit,
damit sich kurzsichtige Gäste beim Schminken oder Rasieren nicht übers
Waschbecken beugen müssen, sondern daneben direkt vor dem Spiegel stehen
können. Außerdem läßt nichts ein kleines Bad größer wirken als ein großer
Spiegel, und die Spiegelfläche ist billiger als eine gekachelte Fläche. Es sind
ganz einfache Spiegel, die nur durch die schwarzen Kachelleisten gerahmt und
optisch in die Wand integriert sind.«
»Überwältigend raffiniert«,
befindet Frau Schnappensiep.
Bei der Besichtigung meines
Lieblingszimmers, das große Zimmer 8 im ersten Stock, das nun mit den
Blumenbouquets und dem himmelblauen Schleifenfries tapeziert ist, dazu der
himmelblaue Landhausschrank, himmelblauweiß gestreifte Vorhänge und weiße
Keramiklampen auf abgebeizten Nachttischchen, die exakt in der Farbe des
abgeschliffenen Fußbodens lasiert sind, kann sie sich nicht beruhigen:
»Himmlisch! Traumhaft!
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