Der Mann, der's wert ist
Absolut entzückend!«
Sogar Herr Dr. Schnappensiep
sagt: »Rundum reizend!«
»Das war’s«, sagt Rufus,
»weiter sind wir nicht.«
Wieder im Flur, ergeht sich
Frau Schnappensiep über die unglaubliche Eleganz des gelb-wolkigen
Wandanstrichs. Was wird sie erst sagen, wenn sie demnächst den Löwenläufer sieht,
denke ich gerade, als Frau Schnappensiep ruft: »Hier ist also Ihr Büro!« Sie
hat das Schild entdeckt an Zimmer 1: Bauleitung Viola Faber.
»Das Zimmer ist noch nicht
renoviert«, sage ich.
Trotzdem bleibt Frau
Schnappensiep vor der Tür stehen, wie eine Katze vor dem Kühlschrank.
»Wollen Sie es trotzdem sehen?«
muß ich schließlich fragen.
»Wenn es Ihnen nichts
ausmacht.«
»Bitte, treten Sie ein.«
»Das ist ja...«, ruft Frau
Schnappensiep, als sie die grauen Chrysanthemen auf der bräunlichen Tapete
sieht, »entsetzlich, grauenhaft! Und dieses Linoleum... abscheulich! Gräßlich!
Ja, warum nehmen Sie nicht eines der renovierten Zimmer?!«
»Weil dauernd Handwerker mit
dreckigen Schuhen zu mir kommen.«
»Und was ist hinter dem
Paravent?« will Frau Schnappensiep wissen.
Was erwartet sie? Befürchtet
sie, ich hätte hinter dem Paravent das Hotel-Pseudo-Silberbesteck gebunkert?
»Hinter dem Paravent ist nur das Bett. Bitte sehen Sie selbst. Ich wollte die
Handwerker nicht auf der Bettkante empfangen, deshalb hab ich meinen Paravent
davorgestellt.«
Frau Schnappensiep ist
fassungslos: »Was, Sie schlafen hier auch? Hier, wo Sie Handwerker empfangen
müssen! Also, Rufus, das ist ja das allerletzte! Ja sag mal, kannst du Frau
Faber kein anständiges Zimmer geben?«
»Ach, du lieber Himmel«, sagt
Rufus völlig verlegen, »ich hab das irgendwie vergessen.«
Herr Dr. Schnappensiep blickt
betreten zu Boden.
»Das hat sich einfach ergeben«,
sage ich, »Rufus kann nichts dafür, ich wollte in der 1. Etage sein, weil die
Handwerker oben angefangen haben. Und es macht mir überhaupt nichts aus, wie
ich wohne. Das ist egal.«
»Sie müssen in das prächtige
Zimmer 8 ziehen!«
»Niemals«, sage ich
entschieden, »dann zerkratzen die Handwerker mit ihren Sicherheitseisen an den
Schuhen den Fußboden.«
Rufus seufzt: »Tu mir einen
Gefallen, nimm dir oben wenigstens ein schönes Schlafzimmer.«
»Also gut, ich geh in die 22,
in das schöne Einzelzimmer.«
»Das ist das kleinste Zimmer.
Ihr seht selbst, wie schrecklich bescheiden sie ist«, sagt Rufus zu
Schnappensieps.
Kaum wieder auf dem Flur, setzt
Frau Schnappensiep ihre Jubelei fort. »Hast du die wunderhübschen
Messingschildchen mit den aparten Nummern an den prachtvollen Türen gesehen?«
ruft sie ihrem Mann zu. »Wo haben Sie diese stilvollen Schilder nur gefunden?«
»An den Türen, Bärbel«, sagte
Rufus, »die waren immer an den Türen, sie waren nur im Lauf der Jahre schwarz
geworden. Viola hat sie abgelaugt und dem Installateur zum Polieren gegeben.«
»Die Messingnägel, mit denen
sie angemacht sind, sind neu«, erkläre ich, »die alten Stahlnägel paßten nicht
dazu.«
»Ja, ist das denn die
Möglichkeit?« ruft Frau Schnappensiep. »Habt ihr ausgezeichnet gemacht«, sagt
Herr Schnappensiep. »Wir sind noch lange nicht fertig«, sagt Rufus. »Und obwohl
wir gespart haben wie verrückt...« Rufus beläßt es bei dieser deutlichen
Andeutung.
Und Frau Schnappensiep fragt
nichts weiter dazu, sondern lobt Rufus für die brillante Idee, den
Eröffnungstermin auf November zu setzen, wenn alle Leute aus dem Urlaub zurück
sind, aber noch nicht völlig im Weihnachtsstreß, und Herr Schnappensiep kann
die Meinung seiner Frau nur bestätigen.
Leider, verkündigt Frau
Schnappensiep, muß sie in den nächsten Wochen wieder wegfahren, diesmal macht
sie aber keinen Urlaub, sondern begleitet ihren Mann zur Kur. Das ist nur
deshalb möglich, erfahren wir, weil die Tochter Micki in Frankreich im
Landschulheim ist und Benni beziehungsweise Schnappi, also der Sohn, so lange
bei einem Schulfreund wohnen will, und Benni, der Hund, geht mit zur Kur. Aber
sobald es ihr irgendwie möglich ist, wird sie wiederkommen, weil sie kaum
erwarten kann, wie alles aussehen wird, wenn es fertig ist.
»Wir planen im Foyer eine
Kunstausstellung«, sage ich, als sie sich schon verabschieden, und erzähle,
warum die Ausstellung nichts kosten wird.
»Sie haben grandiose Ideen!«
ruft Frau Schnappensiep.
Mutig sage ich: »Rufus sagte
mir, es sei Ihnen recht, wenn ich noch bis November hier arbeite.«
»Wir sind Ihnen so dankbar, daß
Sie die künstlerische
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