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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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machen wir uns völlig verrückt. Wir können vorher schon Zimmer
vermieten, aber ich setze für die offizielle Eröffnung lieber einen ziemlich
späten Termin fest, zu dem wir auf jeden Fall fertig sind.« Er blätterte Seite
für Seite seines Terminkalenders um. Dann sagte er: »Hiermit entscheide ich,
daß wir am 3. November, das ist der erste Freitag im November, das Hotel
wiedereröffnen. Ende der Entscheidung.«
    »Das ist noch fast ein
Vierteljahr! Was soll ich so lange hier machen? Das kann ich Frau Schnappensiep
gegenüber nicht verantworten... Aber ich könnte zur Eröffnung wiederkommen, da
möchte ich gern dabeisein.«
    »Du kannst vorher nicht weg.
Schließlich bist du hier nicht nur die Innenarchitektin, sondern auch die
künstlerische Leiterin.«
    »Davon hat mir Frau
Schnappensiep nichts gesagt.«
    »Aber mir. Ich darf nichts
Künstlerisches entscheiden. Wenn du es nicht glaubst, ruf sie an, falls sie mal
aus dem Urlaub zurückkommt.«
    Ich mußte ein bißchen lachen,
weil Rufus auch ein bißchen lachte. »Aber was soll ich bis November machen?«
    »Bis November gibt es unentwegt
zu tun. Wir brauchen zum Beispiel einen neuen Hotelprospekt, dafür brauchen wir
Fotos, und der Prospekt muß gestaltet werden, und du mußt dich um den Druck des
Prospekts kümmern, und außerdem könntest du einen Entwurf machen zum Ausbau des
Dachgeschosses. Ich finde, meine Personalwohnung entspricht nicht mehr dem
Standard dieses Hotels.«
    »Bist du größenwahnsinnig
geworden? Du hast selbst gesagt, es sei kein Geld mehr da. Was wird Frau
Schnappensiep sagen?«
    »Dein Gehalt ist längst
eingeplant, alles andere soll nicht deine Sorge sein. Und nächstes Jahr dachte ich,
wird wieder mehr Geld dasein, und da könnte man das Dach ausbauen. Und den
Hinterhof begrünen und...«
    »Hattest du noch mehr so teure
Ideen?«
    »Ich werde schon dafür sorgen,
daß Frau Schnappensiep bestätigt, daß es bis zur Eröffnung genug für dich zu tun
gibt.«
    Ich lachte. Wenn Rufus das
sagte, stimmte es. Und ich lachte auch, weil ich eine Sorge weniger hatte: die
Angst, bald wieder umziehen zu müssen. Zwar hatte ich die Angst nur vertagt,
aber immerhin für drei Monate, bis Freitag, den 3. November.
    Und Rufus, als könnte er meine
Gedanken lesen, sagte: »Hervorragend! Wieder ein Problem durch Aufschub
gelöst.«
    Ich rief meinen Vater an, wenn
ich erst im November zurückkomme, kann ich dann Annabells Wohnung noch haben?
Na, selbstverständlich. Jederzeit. Aber zuerst soll ich meine Arbeit so gut wie
möglich zu Ende bringen.
     
    Am 1. August wird das Gerüst
aufgestellt. Das geht ruckzuck. Und schon am nächsten Tag kommt die nächste
Handwerkertruppe, die Fassaden-Anstrichspezialisten. Innerhalb weniger Tage
verwandelt sich die braune Absteige in ein weißes Hotel. Weil das Wetter so
schön ist, geben sich die Maler besonders viel Mühe, die Balkongitter
königsblau zu lackieren und die Rosetten liebevoll zu vergolden. Obwohl das
Gerüst die Ansicht verstellt, beginnt man die entstehende Pracht zu ahnen.
    Passanten, meist Leute aus der
Nachbarschaft, gucken neugierig rein. »Das ist ja schön hier!« sagt jeder beim
Anblick der Marmorstreifen. Und jeder fragt: »Wann wird das Hotel
wiedereröffnet?«
    »Offiziell am 3. November«, sagt
Rufus, »aber ab Oktober werden voraussichtlich wieder Zimmer vermietet, einen
genauen Termin kann ich Ihnen noch nicht nennen.«
    Aber wir zeigen gern die
fertigen Zimmer im zweiten und im dritten Stock, damit die Leute wissen, was
sie erwartet, falls sie irgendwann Gäste hier unterbringen. Und alle sind
begeistert. Auch noch, als Rufus die neuen Preise nennt — teilweise mehr als
doppelt soviel wie bisher! Niemand meckert, alle meinen, für ein Hotel dieser
Kategorie sei das preiswert.
    Ein Mann wollte Rufus unbedingt
überreden, bereits für Ende August zwei Zimmer freizugeben, für Gäste, die zur
Hochzeit seines Sohnes kommen, aber Rufus lehnte ab. Der Frühstücksraum ist
nicht fertig, und wir haben zur Zeit keine Zeit, uns um Gäste zu kümmern. »Wenn
Sie zur Taufe Ihres Enkelkindes einladen, sind wir voll für Sie da«, sagte
Rufus.
    »Der Enkel ist längst getauft.
Wo leben Sie denn!« rief der Mann. »Deshalb muß man heute nicht mehr heiraten,
das haben die Frauen zum Glück begriffen. Nur wird leider in der Firma, in der
mein Sohn beschäftigt ist, Personal abgebaut, und ein Verheirateter mit Kind
ist nach dem Sozialplan des Betriebsrats besser abgesichert, deshalb muß mein
Sohn

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