Der Mann, der's wert ist
Jahrhunderts.
»Ich finde, Baumwolle gehört in
die Waschmaschine und nicht auf die Leinwand.«
Sehr lustig.
»Was kosten Ihre Bilder?«
fragte Rufus dazwischen.
»Ab zwanzigtausend.«
»Ab zwanzigtausend?« rief ich.
»Es spielt keine Rolle, was sie
kosten, diese Bilder dürfen nicht verkauft werden«, sagte Harald Sommerhalter.
»Aber wenn wir diese Bilder
hier aufhängen dürfen, müssen Sie versichert sein«, sagte Rufus.
»Versichert sind sie sowieso,
aber nett, daß Sie daran denken. Wir hängen die Bilder an dünnen Stahlseilen
auf, oben an der Stuckkante befestigt. Die Stahlseile werden mit einer kleinen
Alarmanlage verbunden, damit ist die Versicherung zufrieden, das Hotel ist ja
ständig bewacht.«
»Was kostet so eine Anlage?«
fragte Rufus und zog alarmiert die Augenbraue hoch.
»Kein Problem, das bezahle
ich«, sagte Harald Sommerhalter. »Wenn ich die Bilder aufhänge, bringe ich
jemanden mit, der das macht.«
»Wir müssen das vertraglich
regeln«, sagte Rufus, »zu Ihrer eigenen Sicherheit. Ich habe nicht mit solchen
Dimensionen gerechnet, als Viola, also Frau Faber, die Idee mit der Ausstellung
hatte.«
»Sie heißen Viola? Paßt der
Name zu Ihnen?« fragte Harald Sommerhalter interessiert. »Ich würde Sie nicht
in Violett malen, das ist nicht Ihre Farbe, Violett ist zu gewollt, zu sehr
Femme fatale. Oder ist Ihr Violett das des frommen, bescheidenen Veilchens?
Hoffentlich nicht.« Er sah mich prüfend an.
Ich lachte nur.
Rufus sagte: »Also, ich habe
einen Notar in der Verwandtschaft — in der sogenannten Verwandtschaft —, der
könnte einen Vertrag aufsetzen, damit klar ist, daß Sie uns die Bilder nur
geliehen haben. Nächste Woche kommt unser Herr Dr. Schnappensiep aus der Kur
zurück, da könnte ich das regeln, wenn Ihnen das recht ist.«
»Das ist gut, sehr korrekt«,
sagte Harald Sommerhalter. »Könnte ich noch etwas Kamillentee haben?«
Selbstverständlich, sofort.
»Wie ist der Raum beleuchtet?«
fragte er, als ich das zweite Kännchen Kamillentee gebracht hatte.
»In der Stuckkante sind
Spotstrahler, und wir haben in den Marmorstreifen Anschlüsse für die
Wandbeleuchtung, wir könnten spezielle Bilderlampen direkt über den Rahmen
anbringen.«
»Alles ist ideal hier«, sagte
er und sah zur Decke hinauf. »Dieser weiße Plafond allerdings...«
»Ja?« sagte ich. Ich selbst war
mit dieser weißen Decke nicht zufrieden, deshalb machte mir auch die
Beleuchtung des Raums solche Probleme, und Harald Sommerhalter, der Künstler,
empfand wie ich. »Vielleicht sollte man die Decke etwas abtönen? Was meinen
Sie?« fragte ich aufgeregt.
Er sah noch nach oben: »Weiße
Plafonds wirken naturgemäß etwas bedeutungslos. Über dem Kopf sollte man Wolken
haben, das macht die Gedanken frei.«
»Ja, Wolken wie auf Ihren Bildern!«
»Nein, keine Wolken wie auf
meinen Bildern.«
»Nein?«
»Die Wolken auf meinen Bildern
sind Wolken, die von vorn gemalt sind. Was Sie an der Decke brauchen, sind
Wolken, die von unten zu sehen sind. Solche Wolken habe ich noch nie gemalt.
Wolken von unten, das ist Luft gewordener Marmor!« Er sprang auf, ging zur
Mitte des Foyers, lief nach oben blickend im Kreis herum: »Ich würde gerne aus
diesem nichtssagenden Plafond Luft gewordenen Marmor machen.«
»Ist das wahr?« fragte ich
leise.
»Was würde das kosten?« fragte
Rufus laut.
»Nur ein paar Wolken, was würde
das kosten? Fünftausend Mark?«
»Können wir uns nicht leisten«,
sagte Rufus.
»Können wir nicht irgendwo noch
sparen?« fragte ich ihn.
»Nein.«
»Ja«, sagte Harald Sommerhalter
und setzte sich wieder, »dann mach ich es umsonst.«
»Umsonst?« rief Rufus, »warum?«
»Zur Übung.«
»Es sind rund fünfundsechzig
Quadratmeter Deckenfläche«, sagte Rufus.
»Na sehen Sie, das ist eine
Herausforderung, die sich lohnt. Und es ist ein Ruf des Schicksals, daß ich
just in dem Augenblick komme, in dem hier dringend ein Wolkenmeer benötigt
wird. Meine Bilder profitieren außerdem auch davon.«
»Das Geld für die Farben haben
wir auf jeden Fall«, sagte ich begeistert zu Rufus, »und wenn ich die Farben
selbst zahle.«
»Nein«, sagte Rufus, »kommt
nicht in Frage, daß du das bezahlst. Und so teuer sind die Farben nicht.«
»Ich kann nur erstklassige
Farben brauchen, keine Anstreicherfarbe. Ich bringe meine eigenen Pigmente
mit«, sagte Harald Sommerhalter. »Das muß mit Acryl gemalt werden. Ich male
sonst nie mit Acryl, aber hier geht es nicht anders.« Er sah wieder
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