Der Mann, der's wert ist
besorgen.
Ich kannte das Angebot zwar, aber Harald sollte auch sagen, was er optimal
fand. Unterwegs kaufte ich kurzentschlossen eine weiße Leinenhose und ein
schwarzes und ein himbeerrotes Top, beide mit sehr weitem U-Boot-Ausschnitt,
deshalb rutschten sie an einer Schulter ständig runter — es sah todschick aus.
Ich ließ das rote Top und die weiße Leinenhose gleich an.
Als Rufus mich sah, ging seine
Augenbraue zuerst erfreut nach oben, aber dann sanken seine Bärte nach unten:
»Hast du das für Harald gekauft?«
»Nein, für mich«, lachte ich.
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
Fünf nach elf rief ich Harald
an. Alles sei bereit, ob er Lust hätte zu kommen? Ja. Kurz nach zwölf war er
da. Lobend stellte er fest, daß die Gerüste stabil und in der Höhe richtig
waren. Er brachte aus dem Morgan einen Stapel weißer Plastikeimer und
durchsichtiger Plastikbehälter mit Farbpulver. Er schüttete weißes, blaues, rotes,
gelbes und schwarzes Pulver in die Eimer und sagte dann: »Jetzt brauche ich
Kaffee und Wasser.«
Das Wasser brauchte er, um die
Farben anzurühren. Außerdem goß er Acrylbinder in die Farbpampe, sie müsse so
dick sein wie Buttermilch. Es war schon mittags gegen zwei, als Harald fragte:
»Also, wo fangen wir an?«
»In der Mitte«, schlug ich vor.
»Nein, an einer weniger
auffälligen Stelle, dort«, er zeigte Richtung Küchentür. »Die Mitte mache ich
erst, wenn ich mich perfekt eingearbeitet habe, und die Ränder zum Schluß, wenn
ich schon zu perfekt bin.« Er zeigte auf den alten, weißgestrichenen
Lampenhaken in der Mitte: »Also, da ist die Sonne, dann ist dahinten das
Himmelsblau nicht mehr gelblich, sondern rötlich abgetönt.« Er nahm einen neuen
Eimer, goß Blau, wenig Weiß und eine Spur Rot rein, rührte um, strich die Farbe
auf einen Zeichenblock, den er mitgebracht hatte, überlegte, gab mehr Weiß dazu
und begab sich auf das Laufgerüst. Oben angekommen, verlangte er ein Brett, das
er quer übers Sicherheitsgeländer legen wollte, um darauf die Farben
abzustellen, damit er sich nicht dauernd bücken mußte. Ich besorgte das Brett
und starrte bewundernd nach oben. Nun fing er an. Er malte eine anderthalb
Meter breite und zwei Meter lange Fläche in einem zarten Blau, dem der Rotstich
nicht anzumerken war. Leicht strich er den großen Pinsel hin und her, als
schreibe er lauter Achten. Dann rief er runter: »Geh mal raus, ob draußen
Wolken zu sehen sind. Ich konnte gestern keine einzige finden.«
Ja, da war eine kleine
Wolkengruppe. Harald kam raus, als ich ihm die Wolken meldete. »Sollen wir mit
diesen Wolken, die an diesem Mittag über dieses Haus zogen, anfangen?« fragte
er. »Ja.«
»Nein, sie sind zu massiv. Ich
muß sie völlig auflösen.« Er holte sich alle Farben aufs Gerüst und malte mit
einem Weiß, in dem eine Spur Grau war, eine hauchzarte Wolke übers Blau. An
einer Seite verwischte er die Konturen der Wolke, auf der andern Seite
verstärkte er sie mit reinem Weiß — es entstand eine bezaubernd zarte Wolke.
»Super«, rief ich von unten.
Er kam runter, sah sich die
Wolke an: »Kann so bleiben. Scheißarbeit, dieses Grundieren.«
»Kann ich dir helfen?«
»Kannst du das?« fragte Harald.
Er fragte nicht herablassend, er wollte nur ganz sachlich wissen, ob ich das
konnte.
»Klar«, sagte ich, »ich hab
schon viel gestrichen.«
»Dann probier es.« Er mischte
in einem neuen Eimer ein zartes Blau wie vorher, aber eine Spur blauer: »Geh
auf das andere Gerüst, im Liegen ist es einfacher, jedenfalls bekommst du keine
Genickstarre.«
Lachend legte ich mich aufs
Gerüst, Harald gab mir den Farbeimer und einen Pinsel rauf. Wie Harald strich
ich den großen Pinsel sorgfältig am Rand des Eimers ab, und ohne zu kleckern
gelang es mir, vier breite Pinselstriche exakt nebeneinander an die Decke zu
bringen.
»Scheint zu gehen«, rief Harald
von unten. »Versuch den Pinsel beim Malen zu schwingen, als würdest du Wolken
in Blau malen, wenn dazwischen eine weiße Ecke stehenbleibt, das macht nichts.
Wichtig ist, daß das Himmelsblau keine gerade Richtungsstruktur hat. Verstehst
du, was ich meine?«
»Ja«, rief ich und schwang den
Pinsel wie Harald, als würde ich Ketten aneinanderhängender Achten malen. Und
da war es schon geschehen: kalte Tropfen sickerten durch mein neues Top. Sie
sickerten auf meinen Busen, auf meinen Bauch, als wollten sie mich berühren.
Sie sickerten auf meine Schenkel. Ich sah an mir herunter: Auf dem roten Top
sahen die Flecken
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