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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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runterrutschen. Die Herzogin-Witwe war bemüht, mein Putzfrauen-Outfit
zu übersehen, übersah dabei auch Tanja, sie fragte nur mich höchst interessiert:
»Sie wünschen, gnädige Frau?«
    Ich, die gnädige Frau,
erklärte, daß ich etwas Elegantes, allerdings eher Schlichtes, aber nicht zu
Biederes suche.
    »Wir führen ausschließlich
elegante Modelle, die niemals bieder sind«, sagte sie mit einem reizenden
Lächeln, »an was haben Sie konkret gedacht?«
    Tja, was wollte ich nun
Elegantes? Einen Badeanzug oder einen Skipullover? Alle Möglichkeiten schienen
offen. »Ein Kostüm vermutlich«, sagte ich eingeschüchtert.
    »Wenn mir die Damen bitte
folgen wollen.«
    Es war so ein Nobelladen, wo
man nichts selbst anfassen darf. Sie öffnete eine Schiebetür und zerrte einen
braunen Lappen hervor. Eine unförmige Leinenjacke, so lang, daß sie den
strichengen Rock fast verdeckte. »Wunderschön«, behauptete die Herzogin-Witwe,
»und reduziert, Sie sind genau der Typ dafür.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Tanja.
    Ihre zweite Empfehlung war ein
blaßrosa Kostümchen, oben ein Satinjäckchen, unten ein weiter Rock mit
dazugehörendem blaßgrünem Petticoat. Damit könnte man in einer Schüleraufführung
ein Heckenröschen im Frühlingswind darstellen. Sonst fiel mir keine
Verwendungsmöglichkeit ein. »Nein danke.«
    »Was kann ich Ihnen dann
zeigen? Bitte helfen Sie mir!« Meine Wünsche schienen das Vorstellungsvermögen
der Herzogin-Witwe zu überschreiten.
    Tanja kam mir zur Hilfe. Sie
erklärte, was ich brauchte, wobei sie einfach unterstellte, daß ich etwas
Repräsentatives für meinen künftigen Job bei Elisabeth wollte und daß sie
selbst auch etwas Derartiges suche, nur eine Spur konservativer vermutlich, dem
Image einer Bankkauffrau in leitender Position angemessen. Die Herzogin-Witwe
nickte entzückt: »O sicher, nun begreife ich, was Sie suchen. Unsere
Investment-Clothes-Linie.« Sie verschwand im Hintergrund und kam zurück mit
einer Plastikhülle, darin war ein Kostüm in einem leuchtenden Blau, mein
Lieblingsblau. »Soeben eingetroffen«, verkündete sie.
    »Das wär was«, sagte ich
gierig.
    Und Tanja sagte: »Ja.«
    Es war ein Kostüm aus
grobgewebtem Tweed, im leuchtenden Blau waren Einsprengsel von weißen, türkisgrünen
und rosa Fäden. Ein Kostüm im Chanelstil mit vier Taschen auf der Jacke, die
Taschen und das Revers mit einer blauweißen Kordel paspeliert, und massenhaft
schöne Goldknöpfe, die gottseidank nicht so billig aussahen, wie Goldknöpfe
meist aussehen. Ich wußte es auf den ersten Blick: Das war das Kostüm, um mit
Elisabeth zu Auftraggebern zu gehen, und dieses Kostüm war auch ideal zur
Eröffnungsfeier des Hotels. »Was kostet es?«
    »Wollen Sie es anprobieren?«
Die Herzogin-Witwe enthüllte das Kostüm, half mir in die Jacke, sagte dabei
entschuldigend zu Tanja: »Diese Jacke dürfte Ihnen oben ein Ideechen zu eng
sein, ich bringe sofort ein Modell in Ihrer Zwischengröße. Möchten Sie es in
Business-Grau?«
    »Das wäre sicher gut«, sagte
Tanja, »obwohl, in Blau ist es auch toll.«
    Und die Jacke saß bei mir
wirklich wie angegossen. Und sie war so schön gefüttert. »Was kostet das
Kostüm?« fragte ich, zum Äußersten entschlossen.
    »Es ist ein
Pret-à-porter-Modell, sonst wäre es unbezahlbar, aber es ist selbst für einen Fachmann
nicht von einem Haute-Couture-Modell zu unterscheiden«, erklärte die
Herzogin-Witwe und suchte die Jackentaschen mit einem reizenden Lächeln nach
dem Preisschild ab. Es war oben links versteckt. Mit dem gleichen reizenden
Lächeln sagte sie: »Dreitausendneunhundertundneunzig Mark.«
    DreitausendneunhundertundneunzigMark!
»Das sind fast viertausend Mark!«
    »Durchaus«, stimmte mir die
Herzogin-Witwe zu.
    Ich war entschlossen gewesen,
es um jeden Preis zu kaufen — aber nicht um diesen. Tapfer sagte ich: »Das kann
ich mir nicht leisten.«
    »Sie dürfen nicht vergessen,
dieses Kostüm ist eine Investition, das tragen Sie jahrelang.«
    »Sogar wenn ich es mir leisten
könnte, würde ich es mir nicht leisten«, sagte Tanja solidarisch.
    Aus der Traum.
    Die Herzogin-Witwe kapitulierte
ohne weitere Argumente vor unserer ungenügenden Kaufkraft. Ich gab ihr die
Jacke zurück, sie prüfte das Futter, als sei zu befürchten, daß ich auf das
edle Stück abgefärbt hätte.
    »Vielen Dank, auf Wiedersehen«,
sagten wir.
    »Schönen Tag noch«, sagte die
Herzogin-Witwe.
    »Wer kann sich so was kaufen?«
fragte ich mich, Tanja und

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