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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Der Rhythmus abwechselnd zwischen zackigem Auf und Ab und sanften
Auf und Ab. »Does he love me? I want to know!«
    Nur manchmal tranken wir kurz
unten zusammen Kaffee. Und Harald gestand mir, daß seine Ex-Waltraud ständig
geklagt hätte, daß er lieber in seinem Atelier sitze als am Strand von
Acapulco.
    Ich verstand Harald total.
Hätte mir jemand von sonnigem Nichtstun vorgeschwärmt, hätte ich auch gesagt,
daß es nichts Schöneres gibt, als Stunde um Stunde auf einem Gerüst den Himmel
zu grundieren.
    Erst um drei machten wir
Mittagspause... und danach legte sich Harald zu mir aufs Gerüst. Und er sagte:
»Ich probiere jetzt, Naß-in-Naß zu malen, das geht auch mit Acrylfarben.« Er
drummerte mit seinem Pinsel weiße Wolken in meine nasse blaue Grundierung, und
naß in naß ließen sich die Wolkenränder noch zarter verwischen. Und Harald
sagte: »Das hätten wir gleich so machen sollen. Jetzt bleib ich hier neben dir.
Oh, yeah!«
    Und Harald lag an meiner Seite
auf dem Gerüst, und unsere Pinsel kreuzten sich, aber wir berührten uns nicht.
Nur einmal traf mich ein Spritzer von seinem Pinsel direkt an der Lippe. Und
mein Herz klopfte laut, aber Harald hörte es nicht, weil gerade wieder der Chor
stöhnte:
    »Is it the way he
talks?«
    »Oh nohoho, it’s in his kiss«,
jubelte die Solosängerin.
    Und wieder alle: »If
you want to know,
    if he loves you so —
it’s in his kiss!
    If it’s love — if it
really is, it’s there in his kiss!«
    Und ich hörte Harald
singen: »Do you want to know, why I love her so? It’s in her kiss!«
    Aber wir küßten uns nicht. Wir
malten Wolken. Und
ich sang leise: »It’s the way he is... If
it’s love, if it really is...« und dachte dabei... dann warte, bis das
Wolkenwerk vollendet ist...
    Die Wolken vibrierten.
    Irgendwann brüllte jemand unten
vor dem Gerüst: »Kommt ihr gut voran?«
    »Ja«, rief ich runter.
    »Nein«, rief Harald.
    »Wie geht es deinem
Computerprogramm?« rief ich.
    »Alles im Eimer! Ist das ein
Höllenlärm hier!« Rufus knallte die Tür zum Kontor hinter sich zu.
    »Er wird sich bald wieder
einkriegen«, flüsterte ich Harald zu, »er ist sonst wirklich nie aggressiv, er
ist eigentlich immer sehr nett. Ehrlich.«
    »Das hast du mir schon gesagt«,
sagte Harald, drehte den Recorder noch lauter und sang: »Is it the way he
looks? Ohho noho!« dabei betrachtete er seine Wolken. »Wahnsinnig gute
Atmosphäre hier! Und so klassisch.«
    »Daß er sich über seine
zusammengebrochenen Daten so ärgert. Verstehst du, was er hat?«
    »Ja«, sagte Harald, lächelte
etwas zu den Wolken hinauf und zündete sich die nächste Zigarette an.
    Manche Songs kann man hundertmal
hören. Harald verschob das Gerüst. Ich blieb darauf liegen. Die Wolken
vibrierten noch stärker. Wir näherten uns dem Lampenhaken, dem Mittelpunkt
unseres Universums. »Jetzt machen wir’s in Azurblau«, sagte Harald und
klatschte die Farbe nach oben.
    Und der Chor sang:
»If it’s love, if it really is, find out, what you want to know!«
    Wir hörten nicht, wann Rufus
das Kontor wieder verließ. Die Musik war zu laut.
     
     
     

93. Kapitel
     
    Montag sind die Handwerker endgültig
fertig mit dem an drei Wänden und Türen rosa gestrichenen und an der
Fensterfront grün-weiß-gestreiften Frühstücks-Gesellschaftsraum und helfen beim
Einräumen. Um den Eindruck zu vervollkommnen, lege ich die neuen Tischdecken
auf. Für den Frühstücksbetrieb sind grüne, rosa und weiße vorgesehen — die
unterschiedlichen Tischdeckenfarben gliedern den großen Raum in individuelle
Einheiten, Rufus hatte mich auf die Idee gebracht: »Beim Frühstück im Hotel ist
jeder gern für sich allein«, hatte er gesagt. Bei Festlichkeiten sollen immer
nur weiße, nur rosa oder nur grüne Tischdecken aufgelegt werden. Es ist so
schön hier geworden, daß ich ständig daran denken muß, daß ich demnächst nicht
mehr hier bin. Ich sehe hinaus auf den Hof — Rufus will noch Entwürfe für eine
Terrassengestaltung von mir, er plant bereits für nächstes Jahr, wenn wieder
Geld da sei. Nächstes Jahr würden da draußen Sonnenschirme stehen, und man
könnte stellenweise den Beton aufschlagen, Erde aufschütten, mit Blumengruppen
und einem bepflanzten Zaun die Terrasse gegen den Hof abgrenzen. Aber das hat
Zeit. Jetzt ist die vorläufig letzte Etappe der Handwerkerarbeiten beendet. Es
gibt zwar noch viel zu tun, aber das sind alles Kleinigkeiten. Die Handwerker
können gehen. Und meine Zeit ist in zwei

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