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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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werden. Nicht mal von mir. Als Rufus weg war, sagte er: »Solange ich
das nicht fertig habe, bin ich nicht fähig, an was anderes zu denken, verstehst
du das?«
    Ja. Und ich war auch zu müde,
um wegzugehen. Und viel zu müde, um die erste Nacht mit Harald zu verbringen.
     
    Am nächsten Tag ging es uns
beiden besser. Harald sang auf dem Gerüst vor sich hin, ich saß in der Sitzecke
und aktualisierte meine Liste zu erledigender Arbeiten — in der Bar fehlten die
Glasplatten und Halterungen für die Gläser, aber das war kein Problem, das
konnte Herr Hedderich alles anschrauben, da klingelte es an der Tür.
    Es war Tanja.
    Schon durch die Scheibe rief sie:
»Ich hab meinen freien Nachmittag und hab vorher mit Rufus telefoniert, er
sagte, jetzt hätte ich die Gelegenheit, den wundertätigen Künstler zu erleben.«
Dann erblickte sie die fast fertige Wolkendecke, ich sah es ihr an — das hätte
sie nicht gedacht. Nein, wirklich nicht! Sie rief: »Sagenhaft! Wenn ich daran
denke, wie es hier vor einigen Monaten aussah! Jetzt ist es ein Palast!«
    Harald kam sogar vom Gerüst, um
Tanja zu begrüßen.
    Sie fragte ehrfurchtsvoll:
»Wann sind Sie mit diesem Meisterwerk fertig?«
    »Vielleicht morgen.«
    »Morgen schon?«
    »Vorausgesetzt, man läßt mich
in Ruhe arbeiten.«
    »Ich verschwinde sofort
wieder«, sagte Tanja artig, »ich wollte in der Nähe in eine Boutique, ich störe
Sie nicht länger.«
    »Geh mit ihr«, sagte Harald zu
mir, »kauf dir ein Kleid wie eine Wolke.«
    Ich kicherte. Wenn Harald
morgen fertig ist, dann feiern wir morgen das große Fest. »Ja, ich werde dich
begleiten, wenn ich darf«, sagte ich kichernd zu Tanja, »und wenn ich mich
vorher nicht umziehen muß.«
    Sie sah etwas irritiert auf
meinen Putzpullover und meine farbbeschmierten Jeans, sagte aber nur: »Also,
gehn wir« und zu Harald: »Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Ich bin
sehr gespannt auf Ihre Bilder.«
    Harald winkte uns eine Kußhand
hinterher.
    »Wie findest du ihn?« fragte
ich gleich vor der Tür.
    »Scheint tatsächlich ein guter
Typ zu sein. Er schafft sich im Hotel den idealen Ausstellungsraum für seine
Werke, aber trotzdem toll, daß er es umsonst macht. Scheint ein fanatischer
Künstler zu sein. Und beachtlich reich dazu.«
    »Glaubst du?«
    »Hast du die Uhr gesehen, die
er trägt?«
    Natürlich kannte ich Haralds
Uhr mit der Mondphase und den goldenen Sternen und vielen feinst gemalten
Ziffern auf weißem Email, sie hatte eine Tages-, Monats- und sogar eine
Jahresanzeige. »Die Uhr paßt zu ihm«, sagte ich, »sie ist antik und trotzdem
modern, sie ist wie seine Bilder. Ich finde die Uhr toll.«
    »Es ist eine Audemars Piguet«,
sagte Tanja.
    »Ist das so was wie eine
Rolex?«
    »Nein. Zwanzigmal so teuer wie
eine Rolex. Meinst du nicht, daß dieser Mann in anderen Dimensionen zu Hause
ist als du oder ich beispielsweise?«
    »Für Harald zählt nur seine
Arbeit. Alles andere ist ihm egal. Und er trägt auch Pullover mit Löchern«,
lachte ich.
    »Was soll man sonst zu einer
Audemars Piguet tragen?« sagte Tanja.
    Ich fragte mich nur, was ich
morgen tragen sollte. Tanja suchte was Berufstaugliches. Und ich? Was trägt
man, wenn man mit einem Künstler das Fest der Vollendung feiert? Ein Kleid wie
eine Wolke? So was gibt es nicht.
    In der ersten Boutique prüfte
ich lange ein beiges Seidencrêpekleid, schlicht wie eine unbefleckte Leinwand.
Das würde Harald nicht gefallen, zu perfekt. Tanja störte, ohne sich zu
entschuldigen, zwei Verkäuferinnen in ihrer Unterhaltung, ob es hier auch
irgend etwas gebe, was man als berufstätige Frau tragen könnte? Nachdem ihr die
gestörte Verkäuferin beleidigt ein pokurzes Stretchding, ein Satinkleid mit
taillentiefem Rückenschlitz und eines mit Lochmuster gezeigt hatte, sagte
Tanja, sie würde in einer Bank arbeiten, nicht in einem Nachtlokal. Wir
wanderten in die nächste Boutique.
    Dort sah ich ein violettes
Wollkostüm. Nicht übel, mit großen Bogenkanten an den Taschen und am Revers,
aber dann fiel mir ein, daß Harald gesagt hat, Violett sei nicht meine Farbe.
Tanja fand es auch nicht überwältigend und alles andere indiskutabel. Der
dritte Laden war derart nobel, daß ich mich ohne Tanja nie reingetraut hätte.
Am Eingang lauerte uns eine Verkäuferin im Herzogin-Witwe-Look auf: schwarzes
Kleid, Perlenkette und ein Hermès-Tuch über der Schulter geknotet. Es wird mir
ewig ein Rätsel bleiben, wie man es schafft, daß diese glitschigen Tücher nicht
ständig

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