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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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sollte. Ich fragte sie mit Absicht täglich, sie sollte merken, wie
nützlich meine Existenz im Haus ist. Nora sagte täglich, sie hole sich alles
aus ihrem Garten. Wenigstens durfte ich ihr immer eine Kleinigkeit mitbringen,
ein bißchen Waschpulver, ein bißchen Klopapier, eine kleine Glühbirne und
natürlich das Abendessen für uns.
    Statt dankbar zu sein, daß ich
alles einkaufte, sagte Nora zu Benedikt, ich sei kaufsüchtig: Kaufsucht sei die
neue Frauenkrankheit. Sie hätte in einem Tatsachenbericht gelesen, viele Frauen
würden in ihren Schränken bis zu zwanzig Pelzmäntel und hundert Hüte horten.
Ein Mann, der eine kaufsüchtige Frau habe, dessen Leben sei die Hölle. Ich
hatte den sogenannten Tatsachenbericht auch gelesen, er stand in jeder zweiten
Illustrierten. Aber ich habe keinen Pelzmantel und will keinen! Und welche Frau
trägt heute noch Hüte?! Auch Benedikt lachte nur über die Horrorgeschichten
seiner Mutter.
    Trotz Noras massiver Widerstände
gelang es mir, Schritt für Schritt ihre Abwehrposition abzubauen. Sie hatte
zwar mißbilligend gesagt, Lachs sei Luxus und ein preiswerter Rollmops sei ihr
lieber, aber sie aß eindeutig gern Lachs. Und die teuerste Leberpastete aß sie
so gerne, daß sie sagte, die hätte Benedikt auch als Kind so gerne gegessen.
Benedikt sagte mir, niemals hätte es früher Leberpastete gegeben, nur grobe
Leberwurst.
    Die Marmeladen, die wir nun zum
Frühstück hatten, triumphierten über Noras selbstgebastelte Marmeladen. Ich kaufte
nur beste Sorten: Himbeergelee mit Himbeergeist, altenglische Orangenmarmelade
mit Grand Marnier, Wacholderbeergelee mit Gin und Kiwimarmelade. Nora war so
begeistert von der Kiwimarmelade, daß sie meinte, auch Mercedes müßte sie
probieren. Also kaufte ich ein Glas für Mercedes. Mercedes behauptete,
selbstverständlich kenne sie diese pikante, exotische Konfitüre aus den
Luxushotels, in denen sie mit ihrem Herzallerliebsten Urlaub machte, nahm aber
das Glas mit.
    Und schon am dritten Samstag in
der neuen Heimat brachten wir Nora bei, daß wir Samstagabends ohne sie essen
gehen wollten! Benedikt fuhr mit mir allein zu einem Italiener, der sofort
»unser Italiener« wurde. Und sonntags hatte Benedikt keine Zeit, um mit Nora
die Ausflugsorte aufzusuchen, die er als Kind so gerne besucht hatte, er mußte
mir helfen, den Schrank abzubauen und im Flur wiederaufzubauen. Da blockierte
er zwar zehn Zentimeter meiner Tür, aber Nora wollte, daß er im Flur stand, um
Zugriff zu ihrer Sammlung zu haben. Die anderen Möbel durften wir auf den
Speicher schleppen.
    So heimlich und allmählich
festigte sich meine Position.
     
    Nachmittags, während der
dreistündigen Mittagspause, in der Nora jedes Rücken des Farbeimers zu laut war,
las ich die ausgemusterten Illustrierten aus der Besenkammer oder die
Sammelstücke aus dem Fürstin-von-Monaco-Schrank. Ich stellte fest, daß es egal
ist, ob eine Illustrierte eine Woche alt ist, ein Jahr oder ein Jahrzehnt. Es
ist immer das gleiche. Natürlich wußte ich, daß eine Frau mit abgeschlossenem
Studium Sinnvolleres tun sollte, als Klatschillustrierte zu lesen, aber ich war
oft so geschafft vom anstrengenden Abwaschen der alten Farbe an der Zimmerdecke
und Zuspachteln der Risse, daß ich gar nichts anderes tun konnte.
    So entdeckte ich ungeahnte
Parallelen zwischen Grace Kelly beziehungsweise Gracia von Monaco und mir. Als
Grace Kelly so alt war wie ich, verließ sie ihre Heimat und zog zum Mann ihres
Lebens. Genau wie ich hatte Gracia Probleme mit der Schwester ihres Mannes, der
war auch nichts fein genug. Die ältere Schwester von Prinz Rainier, Prinzessin
Antoinette, meckerte über die Verwandten von Gracia: Diese Amerikaner würden
sich an der fürstlichen Tafel wie Wilde benehmen — um dem Butler zu zeigen, daß
sie keinen Wein wollten, stellten Gracias Verwandte die Weingläser umgedreht
auf den Tisch! Besonders empörte sich die Schwester über Grace Kellys Vater,
weil der allen Leuten Briefmarken schenkte, auf denen das Bild seiner Tochter
war. Und anfangs litt Gracia unter dem strengen Protokoll bei Hofe - genau wie
ich. Nora war unsere Protokollchefin. Beim Frühstück las sie
Zeitungsnachrichten vor, Benedikt sagte mir, er höre gar nicht hin, trotzdem
konnten wir uns nicht unterhalten.
    Und Nora kümmerte sich ständig
um Benedikts Sachen. Im Badezimmer ordnete sie seine Utensilien nach einem
System, das ich nicht kapierte. Wenn ich etwas ordnete, korrigierte sie es.
Meine Sachen räumte ich

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