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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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sowieso in meinen Kosmetikbeutel, damit nichts von mir
herumlag. Nora ist der Ansicht, alle Unordnung im Haus entstehe durch mich.
Zugegeben: Das Renovieren macht den meisten Dreck. Aber ich putze auch ständig.
Das ist der Hauptgrund, warum es mit dem Renovieren nicht so schnell vorangeht.
Es wäre professioneller, erst alles zu renovieren, dann alles zu putzen, aber
das würde Ärger geben. Ich wollte sie nicht provozieren.
    Im Grunde war ich froh, daß
sich Nora mit mir nicht viel unterhalten wollte. Wenn sie aus der Schule kam,
berichtete sie, was sie und Medi beim Griechen gegessen hatten, daß Medi einen
Rotweinfleck auf ihre vom Herzallerliebsten geschenkte Couture-Seidenbluse
gemacht hatte oder daß Medi eine unvorstellbar teure mundgeblasene Vase, die
sie von ihrem Verehrer geschenkt bekommen hatte, zu Bruch gegangen war —
solches Zeug eben. Über die Schule sprach sie nie. Wenn sie mit ihrer
Schultasche in ihrem Zimmer verschwand, war ich sicher, daß sie Kreuzworträtsel
machte und Tatsachenberichte über Frauen las, die von ihren Männern verwöhnt
wurden.
    Zugegeben, es war nicht leicht
für Nora, alt, alleinstehend und geschieden, unser Glück mit anzusehen. In
ihrem Leben gab es keine Zukunftsträume, nur Vergangenheit. Eigentlich konnte
sie einem leid tun. Abgesehen von Benedikts Rückkehr in ihr Haus, gab es für
Nora im September nur noch eine Sensation: Am letzten Septembersonntag erntete
sie die größte Tomate des Jahres. Sie wog anderthalb Pfund, exakt 755 Gramm.
Auch Mercedes hatte noch nie eine so große Tomate gesehen. Aber sie schmeckte
kein bißchen besser als die andern.
    In meinem Leben dagegen war
alles auf Veränderung programmiert. Onkel Georg hatte sich zwar noch nicht
geäußert, wann er mich einstellen würde, aber es gab keinen Grund, ihn zu
drängen, solange ich renovieren mußte. Es gab noch soviel zu tun.
    Und ich mußte mir hier einen
neuen Freundeskreis aufbauen. Immer wenn ich einkaufen ging, hoffte ich,
jemanden zu treffen, den ich von früher kannte, aber ich traf niemanden. Das
war auch ein Problem, das Fürstin Gracia und ich gemeinsam hatten: Abgesehen
von dem Mann, den wir liebten, hatten wir keine Freunde in der neuen Heimat.
Aber wie Fürstin Gracia würde ich im Lauf der Zeit viele Freunde finden.
    Nur mit dem Inhaber eines
kleinen Farbenladens, der Lafatap hieß, war ich mittlerweile gut bekannt.
Zuerst dachte ich, der Mann hieße Lafatap, bis er mir erklärte, das sei die
Abkürzung von Lacke—Farben—Tapeten, und das sei sehr werbewirksam. Für mich
blieb er Herr Lafatap. Er hatte nie viel Kundschaft, weil er teurer war als die
Baumärkte, dafür hatte er Zeit, mich zu beraten. Er empfahl mir, den Boden
nicht ganz abzuschleifen, sondern, natürlich nach entsprechender Vorbehandlung,
überzulackieren.
    Und als ich feststellte, daß
die Tapete kaum abging, riet Herr Lafatap: »Nehmen Sie die alte Tapete als
Untergrund, auch wenn man von vorn anfängt, baut man auf dem Vorhandenen auf.«
Das waren kluge Worte, die überhaupt auf meine Situation zutrafen. Er empfahl
mir einen Spezialkleister: Tapeten, die damit geklebt werden, lassen sich im
Handumdrehen wieder abziehen. »Bei der nächsten Renovierung werden Sie dafür
dankbar sein, denken Sie an die Zukunft«, sagte Herr Lafatap.
    Ich dachte nur an die Zukunft
und nahm den Spezialkleister. — Vielleicht erscheinen mir Herrn Lafataps Worte
auch nur deshalb so bedeutsam, weil er der einzige war, mit dem ich fachsimpeln
konnte und der meine Arbeit ernst nahm. Abgesehen natürlich von Benedikt.
     
    Und dann war das Problem, was
ich zu Angelas Party anziehen sollte. Ich wollte nichts falsch machen.
Schließlich fragte ich sie so ganz nebenbei, als ich Benedikt im Büro anrief
und sie am Apparat war: Ȇbrigens, was zieht man so an, zu deiner Party am
Sonntag? Ballkleid oder Badeanzug?« Und ich lachte lässig.
    »Ist doch egal, was du
anziehst«, sagte sie gelangweilt, »komm einfach, wie du bist.«
    »Dann ist ja alles klar.« —
Unmöglich konnte ich so kommen, wie ich war: in vergammelten Jeans mit
Farbflecken und altem T-Shirt. Nachdem ich alles, was ich besaß, anprobiert
hatte, entschied ich mich für meinen engen schwarzen Rock und meine wasserblaue
Strickjacke von Lacoste, die ich vor zwei Jahren im Sommerschlußverkauf
gefunden hatte. Damals wollte niemand wasserblaue Jacken, nun waren sie
topmodisch. Dazu wasserblaue Strümpfe. Ich finde, farbige Strümpfe reißen immer
alles raus: Sie geben einen

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