Der Mann, der's wert ist
freitagnachmittags, nur dann kam er von der Baustelle ins Büro.
Der ältere Kollege, Herr
Wöltje, mit dem Benedikt am meisten zusammenarbeitete, wurde das
Hauptgesprächsthema bei uns zu Hause. Angela — mit der sich Benedikt nicht
duzt, schließlich ist sie die Tochter des Chefs — hatte Benedikt unter dem
Siegel der Verschwiegenheit verraten, daß Herr Wöltje mit seinen
sechsundvierzig Jahren frisch verliebt sei, und zwar in eine Achtzehnjährige!
Sie heißt Sandy und soll demnächst Abitur machen. Natürlich ist Herr Wöltje
verheiratet, und er hat einen Sohn, so alt wie seine Geliebte.
Benedikt sagte, er hätte gleich
so ein Gefühl gehabt, Herr Wöltje rieche geradezu nach Sex. Dann erfuhr
Benedikt, daß Herr Wöltje bereits vor acht Wochen ein Einzimmerapartment für
seine Sandy gemietet hatte. Und Sandy, deren Eltern gegen das Verhältnis ihrer
Tochter mit einem Familienvater waren, war unter großem Krach zu Hause aus- und
in Herrn Wöltjes Einzimmerapartment eingezogen.
Es hatte nicht lange gedauert,
da zog auch Herr Wöltje aus seinem Eigenheim ins Einzimmerapartment. Angela
tratschte, Frau Wöltje hätte ihr am Telefon gesagt, ihr Mann lebe weiterhin zu
Hause, er hätte sich nur in der Stadt ein Zweitbüro gemietet, weil er soviel zu
tun hätte. Herrr Wöltje aber erzählte frohgelaunt, er fahre nur morgens kurz
nach Hause, um die Unterhose zu wechseln und die Post zu holen, ansonsten sei
er nur mit Sandy zugange. Und ständig schwärmte Herr Wöltje, daß seine Sandy
einerseits so richtig unschuldig lieb sei, andererseits total erwachsen. Vor
allem im Bett.
Alle lauerten darauf, Sandy
kennenzulernen. Aber Herr Wöltje hielt sie unter Verschluß. Angela behauptete,
Sandy sehe gar nicht so gut aus, mußte später aber zugeben, daß sie Sandy nie
gesehen hatte, sie hatte es von Frau Wöltje und die von ihrem Sohn.
Benedikt sagte, Herr Wöltje sei
aberwitzig eifersüchtig, deshalb dürfe niemand Sandy sehen. Wie recht er damit
hatte, wurde uns erst klar, als wir erfuhren, daß Sandy die ehemalige Freundin
des Sohnes von Herrn Wöltje war! Darüber sprach Herr Wöltje nicht gern. Aber es
war wahr: Er hatte sie tatsächlich auf einer Party seines Sohnes kennengelernt
und seinem Sohn ausgespannt! Sandy hätte Herrn Wöltje geschworen, daß sie nie,
nie mit seinem Sohn geschlafen habe. Herr Wöltje erzählte, er habe Sandy
praktisch als Jungfrau übernommen. Aber jetzt, mit ihm, käme Sandy aus dem Bett
gar nicht mehr raus. Herr Wöltje prahlte: »Wir sind beide ans Bett gefesselt.«
Beim Sonntagmittagessen sagte
Mercedes: »Mein Herzallerliebster ist sogar älter als euer Herr Wöltje, aber der
nimmt es mit jedem Schuljungen auf.« Sie kicherte, offensichtlich in
Erinnerungen an die Schuljungen, die sie als Vergleichsbumser erprobt und
verworfen hatte.
Fast täglich gab es neue
Enthüllungen über Herrn Wöltjes Liebesleben, teils von Angela, teils von Herrn
Wöltje selbst. Herr Wöltje stank nach Eau de Toilette der schwulsten Sorte. Und
Herr Wöltje kaufte sich knackenge Jeans, mit permanenter Beule über dem
Hosenlatz.
Das letzte: Herr Wöltje ließ
sich eine Strähne über der Stirn wasserstoffblond färben. Seine Sandy fände das
geil, erzählte Herr Wöltje sogar Onkel Georg, und Sandy hätte gesagt, er in
seinem Alter und mit seinem Stil könne sich das durchaus leisten. Onkel Georg
hätte heimlich gegrinst.
Angela telefonierte mit Frau
Wöltje und tratschte, Herrn Wöltjes Sohn hätte gesagt, er schäme sich für
seinen Vater, der sei viel zu alt für so eine Frisur. Angela hatte nichts
Gemeineres zu tun, als es umgehend Herrn Wöltje zu sagen. Aber Herr Wöltje
hatte nur gelacht, sein Sohn sei ein konservativer Spießer, genau wie seine
Mutter.
9. Kapitel
Die aufregendste Mitteilung aus
Benedikts Büro aber war die Einladung zu Angelas Geburtstagsfest. Am 28.
September wurde sie neunundzwanzig. Weil der 28ste ein Donnerstag war, fand das
Fest erst Sonntagnachmittag statt. Bei schönem Wetter könne man sich im Pool
erfrischen, selbstverständlich sei der Pool geheizt.
Ich überlegte wie wahnsinnig,
was wir Angela schenken sollten. Benedikt sagte, es müsse vor allem teuer
aussehen. Da hatte er recht, Angela als einziges Kind ständig reicher werdender
Eltern hatte immer alles bekommen, was sie haben wollte, und sie wollte immer
alles haben. Jetzt als Erwachsene wollte sie immer noch alles haben, jetzt von
allem das beste.
Ich erzählte Benedikt, daß
meine Schwester und
Weitere Kostenlose Bücher